Chile / Soziales / Umwelt

Proteste in Chile wegen "Tschernobyl des Meeres"

Algenpest bringt Fischerei auf Insel Chiloé zum Erliegen. Unmut vor allem bei Kleinfischern. Regierung setzt weiter auf Großindustrie

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Protestierende Bürger blockieren die Straßen der Insel Chiloé
Protestierende Bürger blockieren die Straßen der Insel Chiloé

Chiloé. Auf der Insel Chiloé in Chile dauern seit gut einer Woche Proteste wegen einer Algenpest mit schweren wirtschaftlichen Folgen für die Fischerei an. Die Demonstrationen mit Forderungen an die chilenische Regierunghaben das Leben auf der Insel lahmgelegt. Ein Großteil der 150.000 Bewohner der zweitgrößten Insel Chiles ist mittlerweile an den Aktionen beteiligt. Die Algenseuche Marea Roja (Rote Flut) hat die Fischbestände der südlichen Küstenregionen stark reduziert und die Gewässer kontaminiert. Einige Experten sprechen von einem "Chernobyl des Meeres". Wirtschaftlich betroffene Familien, insbesondere diejenigen, die von der Fischerei leben, sind mittlerweile seit fast zwei Monaten ohne Einkommen.

Die Regierung hatte zunächst angeboten, jeder Familie 100.000 chilenische Pesos (etwa 80 Euro) Kompensation zu bezahlen ­– ein Angebot, das unter dem Druck der Proteste verdreifacht wurde. Jedoch ist für die Vertreter der Betroffenen auch diese Summe nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Am Protest beteiligte Gewerkschaften fordern eine angemessene wirtschaftliche Kompensation, eine unabhängige öffentliche Untersuchung der Ursachen der sozialen und ökologischen Katastrophe und Änderungen in der Regulierung der kleinen Fischerei.

Die Blockaden gehen unterdessen weiter. Auch am Wochenende blieb Chiloé vollständig lahmgelegt. Der Präsident der Handelskammer der Hafenstadt Ancud sagt über die Proteste: "Alles läuft hier friedlich ab, ohne Unordnung. Krankenwägen lassen wir durch und alles ist in Ordnung." Die Polizei versucht derweil, die Probleme auf ihre Art zu lösen und hat per Flugzeug und Schiff Verstärkung vom Festland bekommen.

Die großen Unternehmen der industriellen Fischerei sprechen von erheblichen ökonomischen Schäden. Zwei Drittel der Verträge über Chiles Lachsproduktion laufen über die weiterverarbeitenden Fabriken dieser Insel. Stimmen aus der Industrie schätzen die Verluste auf neun Millionen US-Dollar täglich. Den Schaden, den der Ruf der chilenischen Lachsindustrie durch die Proteste erleidet, schätzt der Präsident von SalmonChile jedoch als wesentlich größer ein.

Die Demonstranten geben der Fischindustrie der Region die Schuld an der Epidemie. Mittlerweile ist die ganze Insel mobilisiert. Ihre großen Lachsfarmen verursachen eine konstante Verschmutzung der Küste. Sie seien es, die ihre Abfälle und derzeit auch die toten Fische ins Meer werfen. Der Staat solle endlich anfangen, die kleinen Leute zu unterstützen statt der großen Industrie. Auf einem Transparent heißt es: "Das ist keine Rote Flut, sondern kommerzielle Plünderei."

Unternehmen, die in großem Maße Rohstoffe ausbeuten, stehen derzeit auf Chiloé grundsätzlich in der Kritik. Die Regierung will in Reaktion auf den Unmut eine Brücke nach Chiloé bauen, um auf der Touristeninsel Bergbau und Forstindustrie zu ermöglichen.

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