"Die Länder des Nordens sehen Amazonien als ihr Reservoir"

Kundgebung vor EU-Vertretung in Berlin. Aktivisten rufen zu Boykott auf und sehen Unternehmen und Politik in Deutschland in der Pflicht

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Alessandra Korap und Marco "Marquinho" Mota aus Brasilien in Berlin
Alessandra Korap und Marco "Marquinho" Mota aus Brasilien in Berlin

Berlin. Rund 30 Aktivisten haben am Dienstag nach dem großen Klimastreik-Demonstration vom Freitag erneut auf die Lage im Amazonasgebiet hingewiesen. Vor der Vertretung der Europäischen Union in Berlin forderten sie, das Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem Mercosur (Gemeinsamer Markt des Südens) zu stoppen. Dem Wirtschaftsbündnis gehören Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay an. Die Bürger sollten mit einem Konsumstreik Druck auf Regierungen und Unternehmen ausüben.

Wie bereits am Freitag in ihrer Rede vor zehntausenden Teilnehmern des Klimastreiks in Berlin, mahnte Alessandra Korap aus Brasilien: "Amazonien wird jeden Tag, jede Minute bedroht. Es geht um Gold, Holz, Soja, Fleisch, Bergbau, Staudämme, Eisenbahntrassen oder Verladehäfen". Korap ist Aktivistin der indigenen Frauenbewegung der Munduruku-Gemeinschaft, die am Fluss Tabajós leben. Besonders die drohende Legalisierung des Goldabbaus bereite ihr große Sorgen, denn "der Goldabbau tötet unser Volk, unser Land, unseren Wald". Seit dem Amtsantritt des ultrarechten Präsidenten Jair Bolsonaro hat der illegale Bergbau in den Schutzgebieten stark zugenommen.

Das erklärte Ziel von Bolsonaro ist es, den Goldabbau in indigenen Schutzgebieten zu legalisieren und diese wirtschaftlich zu nutzen. Unterstützt wird er bei diesem Vorhaben auch von einigen Indigenen der Munduruku wie einem ihrer Anführer, Carlos Augusto Cabace. Sie versprechen sich Anteile an den Gewinnen der Bergbauunternehmen. Gleichzeitig weisen zahlreiche Indigene die Vorhaben entschieden zurück. Schon heute verschmutzt illegale Goldwäsche Flüsse und Natur. Im Jahr 2016 zeigte eine Studie der Stiftung Oswaldo Cruz, dass in einigen Dörfern der Yanomami bis zu 92 Prozent der Bewohner mit Quecksilber vergiftet sind, besonders wenn sie in unmittelbarer Nähe der Stellen der Goldwäsche liegen. Aktivistin Korap forderte die Menschen in Deutschland dazu auf, die brasilianische Soja- und Fleischindustrie zu boykottieren und so Druck auf Politik und Wirtschaft auszuüben.

Ihr Mitstreiter Marco "Marquinho" Mota, Projektkoordinator für das ostamazonische Netzwerk von Nichtregierungsorganisationen FAOR, problematisierte die Beziehung des Amazonasgebietes zu den "Länderns des Nordens, die Amazonien als ihr Reservoir sehen". Der Kampf für den Regenwald müsse auch in diesen Ländern geführt werden.

Die brasilianische Indigenenschutzbehörde Funai sei längst keine wirksame Schutzinstanz mehr, erklärte er im Gespräch mit Amerika21. Sie habe bereits in den letzten Jahrzehnten an Macht verloren. "Entsprechung der Verfassung von 1988 garantierte die Behörde die Demarkation vieler indigener Schutzgebiete", erklärte Mota. "Doch bereits zur Zeit der Regierung unter der Arbeiterpartei PT hat sie an Macht eingebüßt. Schon damals wurde geplant, Wasserkraftwerke zu bauen sowie Amazonien für Bergbau und Soja öffnen". Demarkationen seien erschwert worden. "Das wurde nicht heute erst erfunden, heute ist die Situation sehr viel schlechter, ja, aber hätte man die Funai in den vorherigen Jahren gestärkt, wäre es sehr viel schwerer sie heute anzugreifen".

Anfang September war der Funai-Mitarbeiter Maxciel Pereira ermordet worden. Er hatte auf einer Station der Behörde im Vale do Javari gearbeitet.

Bolsonaro hatte die Funai in jüngster Zeit immer wieder ins Visier genommen ihren Chef ausgewechselt und versucht, die Zuständigkeit für die Zuweisung von Land auf das Agrarministerium übertragen. Letzteres hatte der Kongress dann verhindert.

Mota forderte, Produkte aus Gebieten, in denen es Konflikte mit der indigenen Bevölkerung gibt, nicht zu kaufen und zudem weltweit die Regierungen unter Druck zu setzten, die Konvention 169 der ILO zu respektieren.

"Auch die Verbreitung von Informationen über die Medien ist wichtig, und schließlich, brauchen wir auch die Bedingungen damit die indigenen Gemeinschaften Widerstand leisten können. Wenn ich das sage meine ich nicht, die Bevölkerung von hier nach da zu schieben, um sich den Baumfällern entgegenzustellen, aber finanzielle Unterstützung, damit die Indigenen Zugang zu Technik haben, ich denke das ist sehr wichtig für jemanden dort, mitten im Wald", sagte Mota abschließend.