Argentinien und der IWF: Schulden zahlen? Und wenn ja, wann und wie viel?

Währungsfonds im Land, um Bedingungen zu verhandeln. Stimmung nicht schlecht. Vorwurf, Kredite hätten niemals erteilt werden dürfen

georgieva.jpeg

Der argentinische Wirtschaftsminister, Martín Guzmán, und die IWF-Chefin, Kristalina Georgieva, bei einem Treffen Anfang des Monats
Der argentinische Wirtschaftsminister, Martín Guzmán, und die IWF-Chefin, Kristalina Georgieva, bei einem Treffen Anfang des Monats

Buenos Aires. Begleitet von Protesten hat in dieser Woche eine Delegation des Internationalen Währungsfonds (IWF) mit der Regierung von Präsident Alberto Fernández in Argentinien Gespräche begonnen, um die Möglichkeit einer Umschuldung der vom IWF erteilten Kredite zu besprechen. Vize-Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner brachte zudem in die laufenden Diskussionen ein, dass statutengemäß sogar eine komplette Streichung der Schulden möglich sei.

Wirtschaftsminister Martín Guzmán hatte zuvor im Kongress für seinen zukünftigen Kurs geworben und war dabei auch auf die immense Schuldenlast zu sprechen gekommen. "Dies ist eine Krise, in der alle Parteien Verantwortung tragen: Argentinien, die Anleihegläubiger und der IWF", so Guzmán. Der IWF sei vor allem dafür verantwortlich, dass die ausgezahlten Kredite nicht "zur Erhöhung der Produktionskapazität des Landes, sondern zur Schuldentilgung in einer unhaltbaren Situation und zur Finanzierung des Kapitalabflusses verwendet wurden". Den angeschlagenen Ton bei den nun laufenden Verhandlungen mit dem IWF, aber auch mit privaten Gläubigern, bezeichnete er als "nicht freundlich, nicht aggressiv, sondern nachhaltig".

Momentan deutet jedoch vieles darauf hin, dass man sich zumindest auf eine Umstrukturierung der Schulden, vor allem auf eine Aufschiebung der extrem eng gesetzten Zeitpunkte der Rückzahlungen einigen können wird. Präsident Fernández sagte, es laufe "nicht schlecht" mit dem IWF. Dessen Sprecher Gerry Rice erklärte, die IWF-Delegation führe mit der argentinischen Regierung einen "sehr aktiven Dialog", der "konstruktiv" verlaufe. Man teile die Absicht, die Wirtschaft des südamerikanischen Landes zu stabilisieren. Jedoch sei die Institution "rechtlichen Rahmenbedingungen" unterworfen, die den Spielraum begrenzten. Insbesondere sei eine vollständige Streichung "nicht erlaubt".

Dies war vor allem eine Antwort auf den Hinweis der Vize-Präsidentin Kirchner bezüglich eines Passus' des Gründungsdokuments des IWF, wonach es diese Möglichkeit durchaus gebe. Sie machte auf Artikel VI aufmerksam, worin es heißt, dass ein Land die vom IWF bereitgestellten Mittel "nicht für einen großen oder anhaltenden Abfluss von Kapital" verwenden darf. Darin liegt der Vorwurf: Man hätte beim IWF wissen müssen, dass die Regierung von Mauricio Macri genau dies geplant hatte. Aus diesem Grund müsse man bei der Erteilung des Kredits von einem "illegitimen" Vorgang sprechen, der dazu führen könnte, dass Argentinien seine Schulden nicht zurückzahlen muss. Die Argentinier "können lesen", so Kirchner über den Kurznachrichtendienst Twitter an die Adresse des IWF und dessen Sprecher Rice.

Präsident Fernández pflichtete seiner Vize in diesem Punkt bei: Diese Beobachtung sei durchaus "zulässig". Eine Nicht-Rückzahlung sei aber nach wie vor keine wirkliche Option. In einem Radiointerview mit dem Sender "Rivadavia" sprach er am Donnerstag allerdings von einem "technischen Default", in dem sich Argentinien seit dem Ende der Amtszeit von Macri befinde. Man sei momentan im Verzug bei der Schuldenrückzahlung und die Wirtschaft des Landes befinde sich in einer "chaotischen Situation".

Zudem sollen Gläubigerbanken und Investitionsfonds laut Zeitungsberichten nun eine Einstiegsrückszahlung von zehn Milliarden US-Dollar in bar verlangt haben, um von deren Seite die Grundvoraussetzung für einen Zahlungsaufschub zu gewähren. Das entspricht fast den gesamten Nettowährungsreserven der argentinischen Zentralbank (BCRA), die nur noch bei 12,5 Milliarden US-Dollar liegen sollen.

Die Delegation des IWF wird bis zum kommenden Mittwoch im Land bleiben. Begleitet wurde deren Ankunft von massiven Protesten, die die erst im Dezember gegründete Gewerkschaft "Gemeinschaft der Arbeiter der Popularen Ökonomie (Utep)" initiiert hatte. Man wolle "die Position der Regierung begleiten", da die Rückzahlung der gesamten Schulden "untragbar" sei.

Dass das südamerikanische Land seine Schulden nicht, wie mit Macri ursprünglich verhandelt, zurückzahlen kann, ist auch dem IWF seit Längerem klar. Dessen neue Chefin, Kristalina Georgieva, hat im Blog der Institution in einem Beitrag Anfang Januar eine weniger aggressive Politik im Vergleich zu ihrer Vorgängerin Christine Lagarde in Aussicht gestellt. Diese hatte mit Macri den größten Kredit in der Geschichte des IWF auf den Weg gebracht und damit dazu beigetragen, das Chaos in Argentinien weiter zu verschärfen. Georgieva zeigte sich zudem grundsätzlich angetan von den ersten ergriffenen Maßnahmen der Regierung Fernández.

Die Vorgängerregierung Macri hatte sich 43 von ursprünglich gewährten 57 Milliarden US-Dollar auszahlen lassen. Das Geld wurden insbesondere zur Rückzahlung von Schulden in Devisen an Privatgläubiger verwendet. Dies führte zu einer noch stärkeren Kapitalflucht. Der akute Devisenmangel und die besorgniserregend wenig gewordenen Rücklagen der BCRA führten in den vergangenen Monaten zu einer der höchsten Inflationsraten weltweit.