Massendemonstrationen in ganz Brasilien gegen die Bolsonaro-Regierung

Die "Schwarze Koalition für Rechte" fordert finanzielle Unterstützung gegen Folgen der Corona-Krise und "Impfungen für alle"

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Die Protestierenden fordern die weitere Auszahlung von 600 Reais pro Monat Corona-Hilfe
Die Protestierenden fordern die weitere Auszahlung von 600 Reais pro Monat Corona-Hilfe

São Paulo/Brasília et al. Afrobrasilianische Organisationen protestieren seit dem vergangenen Donnerstag gemeinsam mit politischen Oppositionsparteien und sozialen Bewegungen gegen die Regierung von Präsident Jair Bolsonaro. Sie fordern Massenimpfungen, einen besseren Schutz und Unterstützung bei der Bewältigung der Corona-Pandemie. Viele Tausend Demonstranten gehen in den größten Städten des Landes auf die Straße.

Höhepunkt der Mobilisierungen war am Freitag, als Kundgebungen und Fahrradkorsos in mehr als 65 Städten des gesamten Landes stattfanden. Diese wurden von der "Coalizão Negras por direitos" (Schwarze Koalition für Rechte), "Popular Brasil" und "Povo sem Medo" (Volk ohne Angst) organisiert.

Bewaffnet mit Töpfen und leeren Tellern, die den Hunger der Bedürftigsten symbolisierten, versammelten sich die Demonstranten am Freitag vor den Parlamentsgebäuden von 18 der 27 Bundesstaaten des Landes. Städte wie São Paulo, Rio de Janeiro, Salvador (Bahia), Recife (Pernambuco) und Brasília waren die Zentren der Proteste.

Die "Coalizão Negras por direitos", die sich aus rund 200 Gruppen der Schwarzenbewegung zusammensetzt, fordert, dass die Regierung die finanzielle Unterstützung für informelle Arbeiter und Menschen mit niedrigem Einkommen, die seit dem Ausbruch der Pandemie ihre Arbeit verloren haben, fortführt. Sie fordert auch, dass die Impfung für die gesamte, mehrheitlich Schwarze Bevölkerung gewährleistet wird, damit die Pandemie gestoppt werden kann, die im Land bereits etwa 242.000 Tote gefordert hat.

In São Paulo legten die Demonstranten am Freitag den Verkehr lahm, nachdem sie das Wort "Fome" (Hunger) mit einer riesigen Anzahl von leeren Tellern auf die Hauptverkehrsader der über zwölf Millionen Einwohner großen Metropole geschrieben hatten. "Wir blockierten die größte Avenida in São Paulo, die Paulista, die eine wichtige Symbolik hat. Wir schrieben 'Fome' auf den Boden, was leider ein Wort ist, das heute den Hunger von Millionen von Brasilianern symbolisiert, besonders von Frauen und Schwarzen", sagte Simone, eine junge Anführerin der Schwarzen Bewegung. Um die Situation zu verbessern, wäre nach Meinung der Aktivisten "ein schnelles und effizientes Impfprogramm" notwendig. Nur so könne die Verbreitung weiterer Varianten des Virus verhindert werden, wie jüngst der neue Stamm, der sich in den letzten Wochen vom Amazonasgebiet rasend schnell in andere Bundesstaaten ausgebreitet hat.

Ab April letzten Jahres hatte die Regierung Bolsonaro eine "Nothilfe" genannte Subvention für die Bedürftigsten bereitgestellt, die aufgrund der durch die Pandemie auferlegten sozialen Isolierungsmaßnahmen ihr Einkommen verloren hatten. Sie kam fast 70 Millionen Menschen sieben Monate lang zugute und betrug 600 Reais pro Monat (etwa 92 Euro) – ein Betrag, der im Oktober um die Hälfte reduziert und im Dezember dann zum letzten Mal ausgezahlt wurde.

"Schwarze Menschen sind nicht nur der größte Teil der brasilianischen Bevölkerung – sie machen fast 55 Prozent des gesamten Landes aus –, sondern sie sind auch einer der prekärsten Teile der Gesellschaft, da sie weniger Zugang zu Bildung, regulärer Arbeit oder Wohnraum haben", sagte Paula Nunez, eine Stadträtin der Partei Sozialismus und Freiheit (PSOL) in der Stadt São Paulo, zum Hintergrund der Proteste, die vor allem von Afrobrasilianern getragen wurden.

Und Douglas Belchior, Geschichtsprofessor und einer der Gründer der "Coalizão Negra", betont: "In allen Ländern sind die historisch unterdrückten sozialen Gruppen am stärksten betroffen, weil die sozialen Bedingungen die Art und Weise, wie die Krankheit ankommt, die Art und Weise, wie der Körper sie aufnimmt, dramatisch beeinflussen. Wir sind vor allem deshalb stärker von der Pandemie betroffen, weil die medizinische Versorgung für unsere Leute viel eingeschränkter ist."