Neue Belege für Beteiligung von Brasilien am Sturz von Allende

Militärregierungen von Médici und Geisel stark involviert. Dokumente belegen auch Zusammenarbeit mit den USA und anderen "antikommunistischen" Staaten

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Emílio Garrastazu Médici beim Staatsbesuch im Weißen Haus 1971
Emílio Garrastazu Médici beim Staatsbesuch im Weißen Haus 1971

Washington D.C./Brasília/Santiago de Chile. Eine Veröffentlichung des National Security Archive (NSA), einem Zusammenschluss von Investigativjournalist:innen und Wissenschaftler:innen mit Sitz in Washington, hat Verstrickungen Brasiliens in den Staatsstreich von Augusto Pinochet 1973 in Chile bestätigt. Die kürzlich deklassifizierten Dokumente belegen, wie Brasilien unter den Militärregierungen von Emílio Garrastazu Médici (1969-1974) und Ernesto Geisel (1974-1979) mit rechten Kräften in der Region zusammengearbeitet hat, um die sozialistische Regierung Allendes zu stürzen.

Das Archiv ermöglicht Einsicht in zwölf historische Dokumente. Diese reichen von Plänen zur Infiltration Chiles durch brasilianisches Militär und der Unterstützung von rechten chilenischen Militärs und Paramilitärs, wie der faschistischen Gruppe Patria y Libertad, bis hin zu Notizen zu Treffen hochrangiger Regierungsmitglieder, auf denen über Strategien zur finanziellen und diplomatischen Unterstützung des Pinochet-Regimes beraten wurde.

Teil des Korpus sind Belege für ein geheimes Treffen im August 1973 auf dem Luftwaffenstützpunkt "El Bosque" nahe Santiago de Chile. Dabei sollen Militärs beider Länder den  Staatsstreich geplant und dabei Mittel analysiert haben, die beim Putsch gegen den linken Präsidenten João Belchior Marques Goulart 1964 in Brasilien eingesetzt wurden.

Neben konkreten Plänen zum Sturz von Allende belegen die Dokumente auch die Rolle Brasiliens beim Aufbau von Pinochets Überwachungs- und Repressionsapparat sowie eine direkte Beteiligung an den Repressionen. So wird eine geheime Mission des brasilianischen Geheimdienstes (Serviço Nacional de Informações, SNI) einen Monat nach dem Staatsstreich in Chile beschrieben. Unter Leitung von Oberst Sebastião Ramos de Castro beteiligte sich "brasilianische Polizei in Zivilkleidung" an Verhören von Gefangenen im Nationalstadium, das nach 1973 zu einem Gefangenenlager und Zentrum für Folterungen und Hinrichtungen wurde.

Die Dokumente belegen auch die staatsterroristische Zusammenarbeit Brasiliens mit anderen lateinamerikanischen Geheimpolizeien und den USA gegen linke Regierungen im Zuge der "Operation Condor".

Ein geheimes Memorandum von einem Treffen zwischen US-Präsident Richard Nixon und Médici im Dezember 1971 enthüllt deren Diskussion zu Regimewechseln. In dem bereits 2009 veröffentlichten Dokument erklärt Nixon seine Absicht, "eng mit Brasilien" gegen Allende und andere linke Regierungen zu kooperieren, "da es viele Dinge gibt, die Brasilien in Südamerika tun kann, welche die USA dort nicht tun können".

Die nun erfolgte Freigabe der Dokumente könnte laut Mitarbeitenden des Archivs in Washington dabei helfen, die Tiefe und Art der weltweiten Zusammenarbeit der antikommunistischen Regierungen zu verstehen und ins Licht der öffentlichen Diskussion zu rücken.

Bereits in einem kürzlich von dem brasilianischen Journalisten Roberto Simon veröffentlichten Buch "Brasilien gegen die Demokratie" (O Brasil Contra A Democracia) werden die eigenen geopolitischen Interessen des Militärregimes in Brasília während des "schmutzigen Krieges" deutlich. Das Land sei mehr als nur die "Marionette Washingtons" im Kampf gegen den Kommunismus in Lateinamerika gewesen, so Simon. Es habe vielmehr mit der Nixon-Regierung kooperiert, um "die eigenen strategischen, ideologischen, ökonomischen und andere Interessen bei einer Intervention in Chile" durchzusetzen. Laut Simon wurden die Entwicklungen in Chile durch die geographische Nähe und die vielen brasilianischen Exilanten in Chile als potentiell gefährlicher von Brasiliens Militärregierungen bewertet als die kommunistische Regierung in Kuba.