Nicaragua / Politik

Nicaragua wählt heute Präsidenten und Parlament

Amtierender Präsident Ortega unter verbliebenen Kandidaten klarer Favorit auf Präsidentschaft. EU und USA sehen keine Grundlage für "freie und faire" Wahlen

daniel_ortega_nicargua_2017.jpg

Der amtierende und aller Voraussicht nach auch der neue Präsident von Nicaragua, Daniel Ortega
Der amtierende und aller Voraussicht nach auch der neue Präsident von Nicaragua, Daniel Ortega

Managua. Am heutigen Sonntag finden in Nicaragua die Wahlen von Präsident:in und Vizepräsident:in, den 70 Abgeordneten für die Nationalversammlung und den 20 Abgeordneten für das zentralamerikanische Parlament (Parlacen) statt. Die Wahlen werden international keine Akzeptanz finden und es ist absehbar, dass die Sanktionspolitik der USA und der Europäischen Union im Nachgang verschärft wird.

Laut dem Obersten Wahlrat (CSE) treten bei den Präsidentschaftswahlen Vertreter:innen von sechs verschiedenen Parteien an. Das Spektrum reicht von christlichen und liberalen Parteien bis zur linken Sandinistischen Partei (FSLN). Bei den Parlamentswahlen gehören alleine schon zu dem sandinistisch geprägten Bündnis "Alianza Unida Nicaragua Triunfa" neben der FSLN acht weitere Parteien und fünf Bewegungen. Außerdem bewerben sich sechs weitere Parteien um Parlamentssitze.

Der Präsidentschaftskandidat der traditionell zweitstärksten Liberal-konstitutionalistischen Partei PLC, Walter Espinoza, dürfte zusammen mit seiner Kandidatin für die Vizepräsidentschaft, Mayra Argüello, die besten Chancen auf den zweiten Platz haben. Sie waren erst am 11. August von der PLC benannt worden, nachdem die zuerst gewählten Kandidat:innen Milton Arcia und María Dolores Moncada zurückgetreten waren.

Bei den Wahlen treten keine Vertreter:innen der US-nahen Opposition an, die im Zusammenhang mit dem versuchten Aufstand im April 2018 eigene Bündnisse auf den Weg bringen wollte. Schon vor dem Versuch mittels eines Vorwahlsystems geeignete Kandidat:innen zu finden, wurde ein Teil der potentiellen Kandidat:innen von der Polizei verhaftet (amerika21 berichtete). Als Gründe für die Festnahmen wurde neben Geldwäsche und der Forderung an ausländische Staaten, Sanktionen gegen Nicaragua zu erlassen, vor allem die Beteiligung an Maßnahmen zur Destabilisierung des Landes genannt.

Dieses Vorgehen wurde von den Regierungen in den USA und der EU, aber auch in Lateinamerika vom brasilianischen Ex-Präsidenten Lula de Silva oder dem aktuellen Präsidenten von Argentinien, Alberto Fernández, heftig kritisiert. Schon im vergangenen Jahr hatten das US-Außenministerium, die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) und die EU große Zweifel an der Korrektheit der Wahlen geäußert. Der EU-Außenbeauftragte, Josep Borrell, erklärte: "Wir können nicht davon ausgehen, dass sie ein Ergebnis hervorbringen werden, das wir als rechtmäßig erachten können".

Die US-Behörde für Entwicklungszusammenarbeit USAID hat indes bereits im August 2020 im Rahmen des sogenannten RAIN-Programms (Responsive Assistance in Nicaragua) an den Planungen für einen neuen Aufstand in Nicaragua nach den Wahlen 2021 gearbeitet. Damit sollte die Grundlage für einen Machtwechsel geschaffen werden, falls die FSLN wieder die Wahlen gewinnen sollte. Die aktuellen Ermittlungen und Anklagen gegen Vertreter:innen der Opposition beziehen sich auf diese Planungen. Für die Beteiligung am Aufstand 2018, den die Regierung als Putschversuch bezeichnet, war für die entsprechenden Personen eine Amnestie ausgesprochen worden.

Pandemiebedingt musste der Wahlkampf in diesem Jahr mit weniger umfangreichen Versammlungen und Kundgebungen auskommen. Alle beteiligten Parteien hatten sich im Vorfeld mit dem Gesundheitsministerium und dem CSE im Vorfeld auf verschiedene Hygienevorschriften geeinigt.

Die am Mittwoch veröffentlichten Meinungsumfrage von M&R Consultores zeigen nicht nur eine Zustimmung von über 70 Prozent für die Regierung von Ortega, sondern auch eine ähnlich hohe Einschätzung, dass die Regierung alles dafür tut, damit die Wahlen transparent, frei und offen verlaufen. Über 86 Prozent der Befragten erklärten, dass die Wahlen in der Situation 2021 eine große Bedeutung haben.

In nicaraguanischen Medien veröffentlichte Berichte zu Beginn dieser Woche, dem offiziellen Ende des Wahlkampfes, waren bezeichnend für die politischen Gegensätze und die extreme Polarisierung im Land. Das den Sandinisten nahestehende Radio Primerisima berichtete: "Die sandinistische Regierung garantiert Sozialleistungen für die Bevölkerung", der bekannte Journalist Adolfo Pastran schrieb über "Die Verteidigung der sandinistischen Revolution" und die "Ablehnung der Einmischung der OAS in innere Angelegenheiten Nicaraguas" wurde in einem weiteren Hauptartikel bekräftigt.

In der US-nahen Online-Zeitung "La Prensa" standen dagegen Angstthemen im Mittelpunkt. Im Beitrag "Trotz Ortegas Entscheidung, die Preise einzufrieren, hat Nicaragua weiter die teuersten Kraftstoffe in Mittelamerika" ging es eher um die direkten Ängste der Autobesitzer, bei anderen Beiträgen um die drohenden Sanktionen, falls die Bevölkerung am Sonntag eine sandinistische Regierung wählt. Eine Überprüfung des Freihandelsabkommens DR-Cafta seitens der USA und weitere Strafmaßnahmen wie die Anwendung des  "Renacer"-Gesetzes seien zu erwarten, so La Prensa.