Kolumbien / Militär / Politik

Friedensdialog nach Streit zwischen Regierung und ELN in Kolumbien wieder aufgenommen

Petros Worte über die "illegale Ökonomie" als Kern der ELN löste Krise aus. Das "Hin und Her" von Petros Erklärungen gefährde Dialog. Differenzen überwunden

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Friedensdelegationen. ELN sagt, sie habe "ihre kategorische Trennung von den Gliedern der Drogenhandelskette umgesetzt"
Friedensdelegationen. ELN sagt, sie habe "ihre kategorische Trennung von den Gliedern der Drogenhandelskette umgesetzt"

Bogotá/Havanna. Die Friedensdelegationen der Regierung von Gustavo Petro und der Nationalen Befreiungsarmee (ELN) setzen ihre Gespräche in Kuba fort. Zuvor hatte die ELN die Gespräche wegen "respektloser und stigmatisierender" Äußerungen des Präsidenten für mehrere Tage unterbrochen. Der Friedensdialog sei in eine Krise geraten, hieß es in einem Kommuniqué des Zentralkommandos der Rebellen.

Bei einem Treffen mit Generälen und Admirälen der Streitkräfte versicherte Petro, die bewaffneten Gruppen in Kolumbien befänden sich in der dritten Phase eines Krieges, in der es "keine Ideologie" mehr gebe. Alles drehe sich nur noch um die "illegale Ökonomie". "Die ELN ist keine aufständische Gruppe mehr wie in der Vergangenheit, sie kämpft um Territorien für die illegale Ökonomie", so Petro.

Die Guerilleros von heute seien nur ein "Echo der Vergangenheit". Dazu gehörten auch die Älteren, die am Verhandlungstisch sitzen. Aber "haben die wirklich das Sagen?", fragte der Präsident. Er sehe eher eine Gruppe von autonomen Strukturen (Frentes), die wie eine Föderation funktionierten. Die neuen Generationen in diesen Frentes arbeiteten vor allem für die "illegale Ökonomie".

Die Rede des Präsidenten stelle den politischen Charakter der ELN und der Verhandlungen in Frage, warf ihm die Friedensdelegation der ELN vor. Sie widerspreche den Vereinbarungen der Delegationen in Mexiko. Auch das Zentralkommando der ELN (Coce) meldete sich zu Wort. Petros Äußerungen seien "respektlos" gegenüber den Frentes und setzten die alte Praxis der "Stigmatisierung des Gegners" fort.

"Die ELN hat ihre kategorische Trennung von allen Gliedern der Drogenhandelskette erklärt und umgesetzt", heißt es in dem Coce-Kommuniqué. "Wir verbieten unseren Leuten, [Drogen] herzustellen, damit zu handeln oder sie zu exportieren, weil wir Regeln dafür haben", sagte Pablo Beltrán, Leiter der Friedensdelegation der Guerilla. Die ELN besteuere lediglich "die Händler", die in den Gebieten, in denen sie präsent sei, Kokapaste kauften, so wie sie auch die Ölindustrie oder andere Großunternehmen besteuere, sagte Beltrán. "Die ELN kassiert diese Steuern, weil sie letztlich für ein gewisses Maß an Sicherheit in diesen Zonen sorgt."

Wenn der Präsident sage, die ELN sei keine politische Gruppe, sondern wie die kriminelle Struktur Clan del Golfo, dann bringe er die Friedensgespräche zum Scheitern. Die Gesellschaft würde dann verlangen, dass die ELN von der Regierung genauso wie bewaffnete Organisationen ohne politischen Charakter behandelt werde, das bedeute, einen Deal mit der Justiz zu verhandeln.

Der ELN-Kommandant befürchtet, dass die Regierung das gescheiterte Modell der Befriedung, aber nicht das des Friedens umsetzen will. Befriedung bedeute lediglich, die Gewehre zum Schweigen zu bringen. Frieden sei aber viel komplexer.

Darüber hinaus kritisierte Beltrán die Analyse des Präsidenten zur Geschichte des bewaffneten Konflikts. Laut Petro sei die Ära der für politische Ideale kämpfenden Guerillas 1990 mit der Demobilisierung der Stadtguerilla M-19 zu Ende gegangen. Petro selbst gehörte dieser Rebellengruppe an. Dahinter stehe die Vorstellung, dass diejenigen, die aus dem bewaffneten Kampf ausstiegen, immer die "authentischen" Guerilleros gewesen seien. Ein ähnliches Narrativ habe auch Ex-Präsident Juan Manuel Santos verbreitet, versicherte Beltrán. Laut Santos hätten die verbliebenen Guerilla-Strukturen nach der Entwaffnung der Farc keinen politischen Sinn mehr.

Daher sei es wichtig, dass nicht nur ein Akteur seine Sicht auf die Konfliktgeschichte dem Rest der Gesellschaft aufzwingt, sondern dass verschiedene Teile der Gesellschaft sich darüber austauschen und daraus eine gemeinsame Version entsteht, betonte Beltrán.

Das Coce lehnte außerdem ab, dass Petro die Entscheidungskapazität und Repräsentativität der ELN-Delegation innerhalb dieser Guerilla in Frage stellte. Sie verfüge über "Rechtsnormen, eine Organisationsdoktrin und festgelegte Hierarchien".

Sowohl das Coce als auch die ELN-Friedensdelegation forderten eine Erklärung von Präsident Petro, ob die Regierung die letztere als legitime Gesprächspartnerin betrachte und den politischen Charakter der ELN und des Friedensdialogs anerkenne. "Die Dialoge dürfen nicht dem Hin und Her der Erklärungen des Präsidenten unterworfen sein", forderte das Coce. Daraufhin veröffentlichte das Büro des Präsidenten ein Kommuniqué, in dem die Regierung "die Legitimität der ELN-Delegation" und den politischen Charakter der Gruppe bestätigte.

Nach gemeinsamen Beratungen der Delegierten der Regierung und der ELN in Kuba kündigten sie nun die normale Fortsetzung des Dialogs an. "Wir bekräftigen unseren festen Entschluss, bis zum Abschluss eines Friedensabkommens am Verhandlungstisch zu bleiben", heißt es in der gemeinsamen Erklärung. Außerdem werde in der laufenden Gesprächsrunde ein bilateraler Waffenstillstand vereinbart.