Haiti / Politik

Einsatz ausländischer Truppen in Haiti rückt näher und spaltet die Meinungen

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Bei seiner Rede an die Nation am 5. Oktober 2022 forderte Henry eine Militärintervention (Screenshot)
Bei seiner Rede an die Nation am 5. Oktober 2022 forderte Henry eine Militärintervention (Screenshot)

Port-au-Prince, Die öffentliche Meinung in Haiti hat gespalten auf die Ankündigung von Kenia reagiert, das karibische Land im Kampf gegen kriminelle Banden zu unterstützen und die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, eine multinationale Truppe anzuführen.

Zuletzt hatte der Generalsekretär der Vereinten Nationen (UN), António Guterres, Anfang Juli den UN-Sicherheitsrat erneut aufgerufen, die Entsendung einer multinationalen Truppe nach Haiti zu genehmigen, um die Regierung von Haiti bei der Verbesserung der Sicherheitslage zu unterstützen. Seiner Meinung nach ist mehr Sicherheit eine wichtige Voraussetzung für die Verbesserung der Lebensbedingungen im Land.

Der haitianische Ministerpräsident Ariel Henry, der nach der Ermordung seines Vorgängers Jovenel Moïse durch kolumbianische Söldner in ungeklärtem Auftrag vor zwei Jahren ohne Wahlen das Amt übernommen hatte, wünscht diesen Schritt. Die USA, die im Oktober letzten Jahres eine Intervention befürworteten, scheiterten mit einem entsprechenden Vorschlag im Sicherheitsrat (amerika21 berichtete).

Der Außenminister von Haiti, Jean Victor Généus, begrüßte die Bekundungen seines afrikanischen Amtskollegen Alfred Mutua, der die Bereitschaft bestätigte, die haitianischen Ordnungskräfte in ihrem Kampf um die Wiederherstellung eines sicheren Umfelds wirksam zu unterstützen. In den kommenden Wochen soll eine Erkundungsmission Kenias in dem karibischen Land zur Klärung des weiteren Vorgehens stattfinden.

Mutua konkretisierte in einer Erklärung, dass sein Land bereit sei, 1.000 Polizeibeamte nach Haiti zu entsenden, sobald der UN-Sicherheitsrat das Mandat genehmige.

Der frühere Premierminister Claude Joseph meldete sich indes zu Wort und stellte in Frage, ob Nairobi eine internationale Truppe in Haiti anführen kann, während das Land in einer eigenen politischen Krise steckt.

Seit Monaten werde Kenia regelmäßig von Demonstrationen erschüttert, wobei Proteste gegen die Regierung wegen der hohen Lebenshaltungskosten gewaltsam unterdrückt würden, was Menschenrechtsorganisationen und die kenianische Bischofskonferenz heftig kritisierten, so Joseph.

Der bekannte Oppositionspolitiker und Menschenrechtsanwalt André Michel sprach sich für eine Intervention aus und betonte, dass nur eine multinationale Truppe dem "von bewaffneten Banden heimgesuchten Land" helfen könne.

Seit den Vorbereitungen einer ausländischen Intervention haben in Haiti wiederholt Massenproteste stattgefunden, die diese Möglichkeit massiv ablehnten und Widerstand ankündigten (amerika21 berichtete).

In Haiti ist die letzte Intervention dieser Art noch in Erinnerung, an der 4.900 Soldaten beteiligt waren und die als eine der am heftigsten kritisierten UN-Missionen der vergangenen Jahrzehnte gilt. Die Minustah (United Nations Stabilisation Mission in Haiti – 2004 bis 2017) sorgte im Land immer wieder für Proteste, weil sie als Besatzungsmacht wahrgenommen wurde. Politische und Menschenrechtsorganisationen in Haiti und Lateinamerika hatten wiederholt gewaltsame Übergriffe gegen Demonstrierende, Missbrauchsfälle und andere Skandale im Rahmen dieses Einsatzes angeprangert. Auch für den Cholera-Ausbruch 2010 trug Minustah die Verantwortung: Blauhelm-Soldaten schleppten die Cholera nach Haiti ein. An den Folgen der Epidemie starben mindestens 10.000 Menschen, bis zu 800.000 waren betroffen (amerika21 berichtete).