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Chile: Gesetz zu Rentenreform im Kongress, strukturelle Veränderungen bleiben aus

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Arbeitsministerin Jeanette Jara im Gespräch mit Rentnerinnen über die anstehende Rentenreform.
Arbeitsministerin Jeanette Jara im Gespräch mit Rentnerinnen über die anstehende Reform

Santiago. Nach langen Beratungen liegt dem chilenischen Parlament jetzt ein Gesetzentwurf zur Reform des Rentensystems zur Abstimmung vor. Präsident Gabriel Boric und seine Regierung haben lange an der Gesetzesvorlage gearbeitet und wegen fehlender Parlamentsmehrheiten Kompromisse gemacht, um sie auf den Weg zu bringen.

Die rechten Oppositionsparteien lehnten die Vorlage geschlossen ab und konnten erfolgreich einige Artikel streichen.

Bei Einführung des privaten Rentensystem im Jahr 1980 war der Wechsel freiwillig. Alle Erwerbstätigen, die in der Folgezeit erstmals einen Arbeitsvertrag unterschrieben, wurden jedoch per Gesetz in das neue System gezwungen. Die dafür gebildeten privaten Gesellschaften zur Verwaltung der Rentenfonds (AFP, Administradora de Fondos de Pensiones) wendeten enorme Werbemittel auf, um den Versicherten einen Wechsel schmackhaft zu machen. In Zeitungsartikeln wurde versprochen, dass die Rentner:innen im Jahr 2020 100 Prozent des letzten Einkommens als Rente erhalten werden.

Nachdem Millionen Arbeiterinnen und Arbeiter jahrzehntelang in die AFP eingezahlt haben, ist Ernüchterung eingetreten. Die selbstfinanzierte Rente liegt heute im Durchschnitt gerade einmal bei 258.000 Pesos (280 Euro). In den vergangenen zehn Jahren gab es immer wieder massive landesweite Proteste gegen das private Rentensystem.

Um die Not der am meisten benachteiligten Rentner:innen abzumildern, wurden bisher wiederkehrende Bonuszahlungen und eine geringe staatliche Rente bezahlt. Eine tiefgreifende Reform des Rentensystems wurde unumgänglich und auf die Prioritätenliste der Regierung Boric gesetzt.

In der Gesetzesvorlage war eine staatliche Institution für die Verwaltung und Auszahlung der Rentenbeiträge vorgesehen. Die privaten AFP könnten weiterhin auf dem Finanzmarkt die eingezahlten Beiträge gewinnbringend anlegen. Die Unternehmer würden zusätzlich sechs Prozent des Einkommens in einen Solidarfonds einzahlen, der in jedem Fall alle Renten aufbessert, aber gemäß der Bedürftigkeit überproportional zur Aufstockung der besonders niedrigen Renten eingesetzt würde. Christdemokraten und einige gemäßigte Konservative machten ihre Zustimmung von der Aufspaltung der sechs Prozent- Formel ‒   drei Prozent für den Individualfonds und drei für den Solidarfonds ‒ abhängig. Die staatlich garantierte Grundrente, die unter bestimmten Voraussetzungen zusätzlich zur selbstfinanzierten gezahlt wird, soll auf 250.000 Pesos  (etwa 250 Euro) angehoben werden.

Das Kernstück der Vorlage, eine grundlegende Umstrukturierung des Rentensystems, wurde mit den Stimmen der konservativen Opposition abgelehnt, die weiterhin das bestehende, neoliberale private Rentensystem verteidigt.

Die Regierung verbucht als Erfolg, dass überhaupt ein Gesetzesvorhaben zur Rentenreform auf den Weg gebracht werden konnte. Eine Ablehnung im Parlament hätte wegen der geltenden Verfassung eine Neuvorlage, für die Dauer eines Jahres, unmöglich gemacht.

Die vom Parlament gemachten Änderungen müssen jetzt in den entsprechenden Kommissionen in den Text eingearbeitet werden, der im März dem Senat vorgelegt wird. In dieser Phase hat der Präsident das Recht, alle abgelehnten Artikel erneut einzubringen. Boric hat sich noch nicht zu dieser Möglichkeit geäußert.

Danach stimmt der Senat entweder der Vorlage zu oder verlangt seinerseits Änderungen, die eine erneute Überarbeitung in einer gemischten Kommission aus Abgeordneten und Senatoren zur Folge hätte.