Santiago et al. Der gewerkschaftliche Dachverband CUT (Central Unitaria de Trabajadores) und weitere Einzelgewerkschaften haben zum 3. April zu einem landesweiten Protesttag aufgerufen. An 40 Orten in ganz Chile beteiligten sich etwa 100.000 Menschen an Märschen, Kundgebungen und Betriebsversammlungen, um gewerkschaftlichen und sozialen Forderungen Nachdruck zu verleihen.
Wenige Tage zuvor hatte die CUT einen offenen Brief an Präsident Boric gerichtet, in dem sie in 14 Punkten ihre Forderungen aufführt. Chile brauche "politische Entscheidungen, die die Arbeitnehmer in den Mittelpunkt stellen und nicht die Interessen des Großkapitals. Das Aufschieben dieser Forderungen führt nur zu Frustration und prekären Arbeitsverhältnissen und lässt antidemokratischen Sektoren Raum, die die errungenen Rechte bedrohen" heißt es darin.
Die Gewerkschaften fordern vor allem Tarifverhandlungen auf Branchenebene, die Einführung der 40-Stundenwoche im öffentlichen Dienst und Löhne, die ausreichen, um eine vierköpfige Familie zu ernähren. Weitere Forderungen umfassen unter anderem die Bekämpfung der kriminellen Banden, den Verzicht auf Haushaltskürzungen zu Lasten der Sozialleistungen, die Besteuerung hoher Einkommen, Kontrolle der Mietpreise und Maßnahmen gegen Immobilienspekulation, staatliche Eigentumsrechte an grundlegenden Dienstleistungen wie Wasser, Strom und öffentlichem Verkehr.
In Santiago führte der Demonstrationszug durch die Innenstadt. Auf der Abschlusskundgebung konkretisierte Eric Campos, Generalsekretär der CUT, einige der Forderungen. Der monatliche Mindestlohn soll demnach von 511.000 auf 725.000 Chilenische Pesos angehoben werden, etwa 660 Euro. Diese Erhöhung soll die Lücke zum notwendigen Einkommen von ca. 1.000 Euro verkleinern, das für den Unterhalt einer vierköpfigen Familie nötig ist.
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Campos hob die Bedeutung des Protesttages während seiner Rede hervor: "Das ist heute nicht nur eine Protestaktion sondern ein Aufruf zum Aufbau eines Landes, in dem Entwicklung nicht nur ein wirtschaftlicher Indikator, sondern eine Realität zum Wohle aller ist.“
Auch Vertreter verschiedener Einzelgewerkschaften artikulierten Forderungen. José Pérez Debelli, Vorsitzender des Nationalen Verband der Staatsangestellten (ANEF), prangerte Finanzlücken in Bereichen von Bildung, Gesundheit und im Wohnungsbau an. Morelia Riobó, Vorsitzende der Nationalen Vereinigung der Gemeindeangestellten Chiles (ASDEMUCH), verlangte hingegen mehr Schutz für die kommunalen Angestellten, besonders für diejenigen, die Aufgaben der öffentlichen Sicherheit wahrnehmen: "Wir sind nicht bereit, weiterhin unsere Beamten der öffentlichen Sicherheit auf die Straße zu schicken, wo sie getötet werden."
Parallel zum nationalen Protestag traten über 3.000 Mitarbeiter der Staatliche Rechtshilfe CAJ in einen unbefristeten Streik. Die CAJ sind staatlich finanzierte Rechtshilfeeinrichtungen auf kommunaler Ebene, die Personen mit geringem Einkommen unentgeltlich bei Gericht vertreten. Der Präsident der CAJ, Marcelo Inostroza, begründete den Schritt folgendermaßen: "Wir stehen vor dramatischen Situationen: Arbeitsüberlastung, Anwälte, die 700 Fälle bearbeiten müssen, und prekäre Arbeitsbedingungen, die wir seit Jahren anprangern".
In Bezug auf die aktuelle Rentenentscheidung der Regierung (amerika21 berichtete) erklärte die CUT, dass der von der Regierung vorgelegte Vorschlag positive Aspekte enthalte, durch die eine Stärkung der Solidarität und höhere Beiträge zum System möglich würden. Aber sie stellt auch fest, dass das System der privaten Rentenfonds zusammengebrochen sei. "Diese Institutionen haben die Ressourcen der Arbeitnehmer genutzt, um ihre Existenz zu verteidigen, mit der Unterstützung der Rechten und millionenschweren Kampagnen. Aber heute sehen sie sich einer klaren sozialen Ablehnung gegenüber, weil ihre fehlende Legitimität unhaltbar ist", heißt es in einer Erklärung der CUT.