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Die "Einmischmaschine" der US-Regierung rühmt sich, in Nicaragua den Boden für den Aufstand zu bereiten

US-Regierungsbehörden haben Millionen Dollar dafür ausgeben, "den Grundstein für einen Aufstand gegen Daniel Ortega zu legen"

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Laut Waddell hat der NED seit 2014 4,1 Millionen Dollar in NIcaragua ausgegeben, um 54 Gruppen zu wichtigen Akteuren auf der politischen Bühne zu machen und "den Grundstein für einen Aufstand zu legen".
Laut Waddell hat der NED seit 2014 4,1 Millionen Dollar in NIcaragua ausgegeben, um 54 Gruppen zu wichtigen Akteuren auf der politischen Bühne zu machen und "den Grundstein für einen Aufstand zu legen".

Während sich nicaraguanische Studentenprotestführer mit Neokonservativen in Washington treffen, brüstet sich eine Publikation, die von der US-Regierungsbehörde National Endowment for Democracy (NED)1 finanziert wird, Millionen Dollar dafür auszugeben, "den Grundstein für einen Aufstand gegen Daniel Ortega zu legen".

Einige Konzernmedien haben die gewalttätige Protestbewegung in Nicaragua als einen progressiven Aufschwung an der Basis dargestellt, indes haben die eigenen Studentenführer des Landes etwas anderes vorgeschlagen.

Anfang Juni gingen Nicaraguas führende junge Aktivisten auf Kosten der von der US-Regierung finanzierten rechten Interessengruppe Freedom House nach Washington. Die nicaraguanischen Studentenführer waren dort, um Donald Trump und andere rechte US-Regierungsbeamte zu bitten, ihnen in ihrem Kampf gegen den nicaraguanischen Präsidenten Daniel Ortega zu helfen.

Bei der Reise in die US-Hauptstadt posierten die jungen Aktivisten mit einigen der berüchtigsten Neokonservativen des US-Kongresses für Fotos: Den Senatoren Ted Cruz und Marco Rubio und Ileana Ros-Lehtinen. Die nicaraguanischen Studentenführer wurden auch zu Treffen mit Spitzenbeamten des Außenministeriums und der US-Regierungsorganisation Usaid2 begleitet. Dort wurde ihnen versichert, dass sie die volle Unterstützung Washingtons erhalten würden.

Einen Monat vor den Treffen der Studentenprotestler mit den ultra-konservativen Abgeordneten in Washington behauptete eine Publikation, die von der Regime Change-Abteilung der US-Regierung finanziert wird, dass Organisationen, die von der NED unterstützt werden, jahrelang Millionen von Dollar "für den Aufstand" in Nicaragua ausgegeben haben.

Dieser Artikel, der offen mit der Einmischung der USA prahlt, wurde auf der lateinamerikanischen Nachrichten-Website Global Americans veröffentlicht und von dem US-Akademiker Benjamin Waddell, dem akademischen Direktor der School for International Training in Nicaragua, verfasst. Nach der Veröffentlichung dieses Artikels ersetzten die Global Americans den Begriff "Aufstand" durch das harmlosere Wort "Veränderung". Die ursprüngliche Überschrift ist jedoch immer noch in der URL des Artikels zu sehen.

Trotz der kosmetischen Veränderungen bietet Waddells Artikel eine bemerkenswert ehrliche Einschätzung der Auswirkungen der nachhaltigen Investitionen des National Endowment for Democracy in die nicaraguanische Zivilgesellschaft. Die Schlussfolgerungen des Autors belegten so unbeabsichtigt die Aussagen des nicaraguanischen Präsidenten Daniel Ortega und seiner Anhänger, die die Proteste als eine sorgfältig inszenierte Vorgehensweise von Washington beschrieben haben.

"Die internationale Presse hat die rasche Eskalation der zivilen Unruhen in Nicaragua als eine spontane Explosion kollektiver Unzufriedenheit dargestellt, die durch die Reformen der Regierung am insolventen Sozialversicherungssystem ausgelöst wurde und in mehr als einem Jahrzehnt autoritärer Herrschaft der Ortega-Murillo-Familie wurzelt", schrieb Waddell. "Und während die Ursachen der Turbulenzen in Misswirtschaft und Korruption liegen, wird es immer deutlicher, dass die Unterstützung der USA dazu beigetragen hat, die gegenwärtigen Aufstände zu nähren“.

In einer weiteren eindrucksvollen Passage schloss Waddell: "Das gegenwärtige Engagement der NED bei der Förderung zivilgesellschaftlicher Gruppen in Nicaragua wirft Licht auf die Macht der transnationalen Finanzierung zur Beeinflussung der politischen Ereignisse im 21. Jahrhundert."

Eine Geschichte der Einmischung

Der NED ist ein führender Vertreter der US-Soft Power, der sich seit seiner Gründung auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges 1983 in die Angelegenheiten anderer Länder eingemischt hat. Sein erster Erfolg fand in Nicaragua statt, wo er anti-sandinistische Medien wie die Zeitung La Prensa durch einen Ableger, Prodemca, stark werden ließ, der ebenfalls heimlich von Verbündeten von Oliver North finanziert wurde.

1990 wurden die Sandinistas bei den Wahlen von der rechten Kandidatin Violeta Chamorro besiegt, deren Familie La Prensa gehörte. Chamorros Sieg stellte den Höhepunkt und Ergebnis von fast 16 Millionen Dollar an NED-Zuschüssen für antisandinistische politische Parteien und Medien dar.

"Vieles von dem, was wir heute tun, wurde vor 25 Jahren heimlich von der CIA gemacht", kommentierte Allen Weinstein, ein Gründer des NED, 1991.

In den folgenden Jahren haben NED und seine Partner dazu beigetragen, die Wahlen für rechtsextreme neoliberale Kandidaten in Russland und der Mongolei 1996 zu organisieren; sie haben einen Staatsstreich angezettelt, der den demokratisch gewählten Präsidenten Haitis, Jean Bertrand Aristide, von der Macht verdrängt hat; und sie haben Millionen von Menschen dazu gebracht, die sozialistische Regierung Venezuelas zerschlagen zu wollen, was durch die Verhängung der US-Sanktionen noch verstärkt wurde.

Die Proteste, die in Nicaragua ausgebrochen sind, haben den Einfluss des NED wieder in den Mittelpunkt gerückt. Laut Waddell hat der NED seit 2014 4,1 Millionen Dollar im Land ausgegeben, um 54 Gruppen zu wichtigen Akteuren auf der politischen Bühne zu machen und "den Grundstein für einen Aufstand zu legen".

"Ich habe mich mit der Coalición Universitaria de Nicaragua und Migueliuth Sandoval, Viuda de Gahona, zusammengeschlossen, um die Gräueltaten des Regimes von #Ortega zu beenden. Apoyo su lucha por la democracia y la libertad en #Nicaragua"
Marco Rubio (@marcorubio) 6. Juni 2018

Quelle: https://twitter.com/marcorubio/status/1004453172017025024

Das von den USA unterstützte Netzwerk hinter den Protesten

Die Unruhen, die Nicaragua gelähmt haben, wurden ausgelöst durch die Ankündigung von Präsident Daniel Ortega, das fast bankrotte Sozialversicherungssystem zu reformieren. Der Internationale Währungsfonds und eine lokale Wirtschaftsdachorganisation hatten auf Veränderungen bestanden, die das Rentenalter angehoben und die Krankenhäuser schrittweise privatisiert hätten, was einige der bedeutendsten Errungenschaften der sandinistischen Revolution gefährdet hätte.

Als Ortega mit einem Vorschlag konterte, der von Unternehmen und Rentnern einen größeren Beitrag zum System verlangt hätte, wobei die Unternehmer den Löwenanteil zu zahlen hätten, explodierte ein Sektor der Öffentlichkeit vor Empörung. Die wütende Reaktion auf Ortegas Plan, verstärkt durch die intensive Berichterstattung der Oppositionsmedien, wurde zum Funken für nicht endende Proteste, die das Land in Brand gesteckt haben – in vielen Fällen buchstäblich.

Die sichtbarsten Gesichter der Anti-Ortega-Bewegung sind nicht die Rentner, die von den Sozialversicherungsreformen betroffen sind, sondern städtische, politisch unabhängige Studenten, die einen totalen Sieg anstreben. Sie haben ein Bündnis mit den traditionellen rechten, unternehmerfreundlichen Gegnern des Sandinismus geschmiedet, zusammen mit einem marginalen Sektor ehemaliger Sandinisten, der sich durch Ortegas schnelle Machtkonsolidierung entfremdet hatte.

Unterdessen haben maskierte Männer, die selbstgemachte Mörser und Schusswaffen tragen, die Frontlinie der Straßensperren gebildet, die bereits Nicaraguas Wirtschaft etwa 250 Millionen Dollar an Einnahmen gekostet haben. Bis heute sind rund 170 Menschen im Chaos ums Leben gekommen. Da die Zahl der Todesopfer auf beiden Seiten steigt, scheint die Rede von einem neuen Bürgerkrieg keine entfernte Möglichkeit zu sein.

"Es war sehr inspirierend, Victor und Zayda zu treffen, mutige Studentenführer, die sich nach einem #freien und #demokratischen #Nicaragua sehnen. Diese Studenten repräsentieren die Stimme so vieler junger Menschen, die gegen die Gewalt des #Ortega-Regimes protestieren und sie verurteilen. Die USA hören ihnen zu und wir werden sie unterstützen"
Ileana Ros-Lehtinen (@RosLehtinen) 6. Juni 2018

Quelle: pic.twitter.com/hOW98xLoHJ

Seit Beginn der Unruhen hat der NED Maßnahmen ergriffen, um die Namen der von ihm finanzierten Gruppen in Nicaragua mit der Begründung zu verschleiern, dass sie Vergeltungsmaßnahmen der Regierung ausgesetzt sein könnten. Aber die Hauptempfänger der Unterstützung aus Washington waren im Land bereits bekannt.

Hagamos Democracia, oder Let’s Make Democracy, ist der größte Empfänger von NED-Mitteln und erhielt seit 2014 über 525.000 Dollar an Zuschüssen. Der Präsident der Gruppe, Luciano Garcia, der ein Netzwerk von Reportern und Aktivisten leitet, hat erklärt, dass Ortega Nicaragua in einen "gescheiterten Staat" verwandelt hat und seinen sofortigen Rücktritt gefordert.

Das in Managua ansässige Institute for Strategic Studies and Public Policy (IEEPP) hat seit 2014 mindestens 260.000 Dollar von der NED erhalten. Die Stipendien sollen die Arbeit des IEEPP bei der Ausbildung von Aktivisten zum Thema "Förderung von Debatten und Information über Sicherheit und Gewalt" unterstützen. Die Finanzierung umfasste auch Bemühungen zur Überwachung der "verstärkten Präsenz Russlands und Chinas in der Region", eine offensichtliche Priorität für Washington.

Sobald die gewalttätigen Proteste gegen Ortega entfacht wurden, brachte IEEPP-Direktor Felix Mariadiaga seine Agenda an die Öffentlichkeit. Mariadaga, ein ehemaliger Young Global Leader des Weltwirtschaftsforums, der in Yale und Harvard ausgebildet wurde, wurde von La Prensa dafür gefeiert, dass er "neben den jungen Studenten, die die Proteste in Nicaragua von April bis Ende Mai angeführt haben, geschwitzt, geblutet und geweint hat".

Auf die Frage von La Prensa, ob es einen Ausweg aus der Gewalt ohne Regime Change gebe, antwortete Mariadaga: "Ich kann mir in diesem Moment keinen Ausweg vorstellen, der keinen Übergang zur Demokratie ohne Daniel Ortega beinhaltet".

Im Juni dieses Jahres führte Mariadaga eine Oppositionsdelegation nach Washington, um Ortegas Herrschaft vor der Generalversammlung der Organisation für amerikanische Staaten zu verurteilen. Zu ihm gesellte sich Anibal Toruno, Direktor von Radio Dario – ein weiterer langjähriger von NED Geförderter (PDF) und einer der wichtigsten Multiplikatoren der Anti-Ortega-Medien in der nicaraguanischen Stadt Leon.

Während Mariadaga in Washington war, wurde er von der nicaraguanischen Polizei angeklagt, ein organisiertes kriminelles Netzwerk zu leiten, das während der gewalttätigen Unruhen, die das Land ergriffen haben, mehrere Menschen ermordet hat. Mariadaga wies die Anschuldigungen als "politische Verfolgung" und "lächerliche Anschuldigung" zurück, verschob aber seine Rückkehr nach Nicaragua. Das US-Außenministerium stärkte ihn mit einer Erklärung vehementer Unterstützung.

"Demütig treffe ich nicaraguanische Studentenführer, die ihr Leben für die Freiheit riskieren. Ihr Mut und ihre Ausdauer werden die Tyrannei der Ortega-Diktatur überwinden #SOS Nicaragua". Ted Cruz @SenTedCruz, 6. Juni 2018

Quelle: https://twitter.com/SenTedCruz

Zur gleichen Zeit war eine Gruppe nicaraguanischer Studentenführer der Anti-Ortega-Proteste in Washington, um die Trump-Administration um Hilfe zu bitten, den Präsidenten ihres Landes zu Fall zu bringen.

Unter den US-Beamten, die die Studenten empfingen, war auch Usaid-Direktor Mark Green. "Wir müssen zu denen stehen, die sich für Dinge einsetzen, an die wir glauben", sagte Green in einem Interview mit McClatchy.

Neben NED war Usaid der aktivste Förderer des Regime Change gegen sozialistisch orientierte Regierungen in Lateinamerika. In Nicaragua lag das Usaid Budget 2018 bei über 5,2 Millionen Dollar, wobei der größte Teil der Mittel für die Ausbildung der Zivilgesellschaft und der Medienorganisationen bestimmt war.

Die Reise der nicaraguanischen Studenten nach Washington wurde von Freedom House bezahlt, einem von der US-Regierung finanzierten NED-Partner, dessen Agenda typischerweise mit dem neokonservativen Flügel der amerikanischen Außenpolitik übereinstimmt.

Freedom House erstellte eine Reiseroute für die Studenten, die mit einem Fototermin mit einigen der führenden Republikaner Washingtons gipfelte: Mit den Senatoren Ted Cruz und Marco Rubio sowie Ileana Ros-Lehtinen.

Zurück in Managua zeigte sich ein weiterer prominenter Studentenführer, Harley Morales, angewidert über den Auftritt seiner Kollegen auf dem Capitol Hill. "Es war schrecklich", sagte Morales der Zeitung El Faro. "Sie [Cruz, Rubio und Ros-Lehtinen] sind die extreme republikanische Rechte. Wir sind sehr unzufrieden mit dieser Reise; sie wurde von den Vereinigten Staaten bezahlt und ihnen wurde eine Tagesordnung vorgeschrieben. Wir haben ein schreckliches Bild abgegeben."

Obwohl er auf "einen Fehlerkorrekturplan" hoffte, räumte Morales ein, dass sich der Einfluss mächtiger externer Interessen auf die Demonstranten der Studenten vergrößere. "Alle Bewegungen haben jetzt Berater", beklagte er. "Kinder von Politikern, Geschäftsleuten…. Sie haben eine sehr klare politische Linie."

  • 1. National Endowment for Democracy (NED) ist eine US-amerikanische Stiftung und Denkfabrik mit dem erklärten Ziel der weltweiten Förderung der liberalen Demokratie. Sie wurde 1983 vom US-Kongress in Washington, D.C. gegründet und erhält von diesem für ihre Arbeit eine jährliche Finanzierung aus dem US-Bundeshaushalt. Der Kongress schuf NED als halbstaatlichen Arm der Außenpolitik. Trotz der staatlichen Finanzierung handelt es sich rechtlich um eine private, gemeinnützige Organisation. Das ermöglicht dem Staat die Weitergabe von Haushaltsmitteln an ausländische Organisationen über einen Dritten. Aus: Wikipedia
  • 2. USAID: Behörde des US-Außenministeriums für internationale Entwicklung