Gustavo Petro: "Heute beginnt das Kolumbien des Möglichen“

Ansprache Petros zur Amtseinführung auf dem Plaza de Bolívar in Bogotá am 7. August 2022

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Petro bei der Amtseinführung auf dem Plaza de Bolívar, wo über 100.000 Menschen sich versammelt hatten
Petro bei der Amtseinführung auf dem Plaza de Bolívar, wo über 100.000 Menschen sich versammelt hatten

Hierher zu kommen, zusammen mit diesem Schwert 1, ist für mich ein ganzes Leben, eine Existenz. Dieses Schwert bedeutet so viel für uns.

Und ich will, dass es nie begraben wird, ich will, dass es nie zurückgehalten wird.

Möge es, wie sein Besitzer, der Befreier, sagte, erst dann niedergelegt werden, wenn es in diesem Land Gerechtigkeit gibt.

Es soll dem Volk gehören. Es ist das Schwert des Volkes. Und deshalb wollten wir es in diesem Moment hier und an diesem Ort haben.

(...)

So endet Gabriel García Márquez' Hundert Jahre Einsamkeit: "Alles, was in ihnen geschrieben stand, war für immer und ewig unwiederholbar, denn die zu hundert Jahren Einsamkeit verurteilten Geschlechter hatten keine zweite Chance auf Erden".

Wir Kolumbianerinnen und Kolumbianer sind in unserer Geschichte schon viele Male zum Unmöglichen verurteilt gewesen, zum Mangel an Möglichkeiten, zum schroffen NEIN. Ich möchte allen Kolumbianerinnen und Kolumbianern, die mir hier auf der Plaza de Bolívar, in der Umgebung, in ganz Kolumbien und im Ausland zuhören, sagen, dass heute unsere zweite Chance beginnt.

Wir haben es verdient. Ihr habt es verdient. Eure Anstrengung hat sich gelohnt und wird sich lohnen. Es ist die Stunde des Wandels. Unsere Zukunft ist nicht geschrieben. Wir sind die Besitzer des Stiftes und des Papiers und wir können sie gemeinsam schreiben, in Frieden und Gemeinschaft.

Heute beginnt das Kolumbien des Möglichen. Wir sind hier entgegen aller Vorhersagen, entgegen einer Geschichte, die uns sagte, wir würden niemals regieren, gegen diejenigen, die die Macht nicht loslassen wollten. Aber wir haben es geschafft. Wir haben das Unmögliche möglich gemacht. Mit Arbeit, mit Unterwegs-Sein und Zuhören, mit Ideen, mit Liebe, mit dem Herzen und dem Hirn, mit Anstrengung. Von heute an arbeiten wir daran, in Kolumbien noch mehr unmögliche Dinge möglich zu machen. Wir haben es geschafft, wir werden es weiterhin schaffen.

Der Frieden soll möglich sein. Wir müssen sechs Jahrzehnten der Gewalt und des bewaffneten Konflikts ein für alle Mal ein Ende setzen. Ich würde sagen, zwei Jahrhunderten permanenten Krieges, dem ewigen Krieg, dem immerwährenden Krieg in Kolumbien. Das ist möglich.

Wir werden das Friedensabkommen einhalten, wir werden die Empfehlungen des Berichts der Wahrheitskommission auf den Buchstaben genau befolgen. Der Bericht nennt die Zahl der Toten, je nachdem, wann wir mit der Zählung beginnen. Als die Wahrheitskommission damit begann, zählte sie bis heute 800.000 Tote durch die Gewalt. Tote Kolumbianer, tote Kolumbianerinnen, die meisten einfache Menschen. Wir können nicht im Land des Todes weitermachen, wir müssen das Land des Lebens aufbauen.

Und wir werden unermüdlich daran arbeiten, Frieden und Ruhe in jeden Winkel Kolumbiens zu bringen. Dies ist die Regierung des Lebens, des Friedens, und so wird sie in Erinnerung bleiben.

Der Frieden ist möglich, wenn wir in allen Regionen Kolumbiens den sozialen Dialog in Gang bringen, um uns mit allen Unterschieden zu treffen, um uns zu äußern und gehört zu werden, um durch Vernunft gemeinsame Wege zum Zusammenleben zu suchen. Es ist die gesamte Gesellschaft, die einen Dialog darüber führen muss, wie wie uns nicht gegenseitig töten und wie wir vorankommen.

In den verbindlichen regionalen Dialogen rufen wir alle unbewaffneten Menschen zusammen, um Wege für das Gebiet zu finden, die das Zusammenleben ermöglichen. Welche Konflikte es auch immer gibt. Es geht genau darum, sie mit Worten darzulegen, und zu versuchen, sie mit Verstand zu lösen. Was ich vorschlage ist mehr Demokratie, mehr Beteiligung um die Gewalt zu beenden.

Wir rufen aber auch alle Bewaffneten auf, die Waffen zurückzulassen in den Nebeln der Vergangenheit. Rechtliche Vergünstigungen im Gegenzug für den Frieden zu akzeptieren, für die endgültige Nicht-Wiederholung der Gewalt; wir rufen sie auf, als Mitglieder einer prosperierenden, aber legalen Wirtschaft zu arbeiten, die die Rückständigkeit der Regionen beendet.

Damit der Frieden in Kolumbien möglich wird, müssen wir miteinander sprechen, viel sprechen, einander verstehen, die gemeinsamen Wege suchen, Veränderungen herbeiführen.

Der Frieden setzt zweifellos voraus, dass wir uns verändern. Natürlich ist der Frieden möglich, wenn zum Beispiel die Politik gegen die Drogen, die als Krieg betrachtet, als Krieg gegen Drogen bezeichnet wird, geändert wird durch eine Politik der starken Prävention des Konsums in den entwickelten Gesellschaften.

Es ist Zeit für ein neue Internationale Konvention, die anerkennt, dass der Krieg gegen die Drogen völlig gescheitert ist, der in den letzten 40 Jahren eine Million Lateinamerikaner getötet hat, in der Mehrheit Kolumbianer, und jedes Jahr 70.000 Nordamerikaner an einer Überdosis Drogen – von denen keine in Lateinamerika hergestellt wird – sterben lässt. Dass der Krieg gegen Drogen die Mafias gestärkt und die Staaten geschwächt hat. Dass der Krieg gegen die Drogen die Staaten dazu gebracht hat, Verbrechen zu begehen – unser Staat hat Verbrechen begangen – und den Horizont der Demokratie verdunkelt hat.

Werden wir warten, dass eine weitere Million Lateinamerikaner ermordet werden und die Zahl der Toten an einer Überdosis in den USA auf 200.000 steigt?

Oder ersetzen wir den Misserfolg durch einen Erfolg, damit Kolumbien und Lateinamerika in Frieden leben können?

Jetzt ist die Zeit, die Anti-Drogenpolitik in der Welt zu ändern, so dass sie Leben ermöglicht und nicht den Tod bringt.

Dass sie uns beim Frieden unterstützen wollen, sagen sie uns wieder und wieder in jeder Rede.

Dann sollen sie die Drogenbekämpfungspolitik ändern, sie haben es in der Hand, die Weltmacht, die Vereinten Nationen, sie haben die Macht, dies dies zu tun.

Gleichberechtigung muss möglich sein.

Zehn Prozent der kolumbianischen Bevölkerung besitzen 70 Prozent des Reichtums. Das ist widersinnig und wirklich unmoralisch. Wir sollten uns an Ungleichheit und Armut nicht gewöhnen.

Es stimmt nicht, dass die Welt gleich ist, es ist nicht wahr, dass die soziale Ungleichheit, die wir in Kolumbien haben, in der Mehrheit der Länder der Welt existiert. Wir sind eine der sozial ungleichsten Gesellschaften auf dem gesamten Planeten Erde. Und das ist eine Fehlentwicklung, die wir nicht fortsetzen können, wenn wir eine Nation sein wollen, wenn wir in Frieden leben wollen.

Sehen wir nicht weg, seien wir keine Komplizen. Mit Willen, Maßnahmen der Umverteilung und einem Programm für Gerechtigkeit werden wir Kolumbien zu einem Land mit mehr Gleichheit und mehr Chancen für alle machen.

Gleichberechtigung ist möglich, wenn wir in der Lage sind, Reichtum zu schaffen, Reichtum für alle zu generieren und wenn wir fähig sind, ihn gerechter zu verteilen.

Deshalb schlagen wir eine Wirtschaft vor, die auf Produktion, Arbeit und Wissen basiert. Und dafür schlagen wir eine Steuerreform vor, die Gerechtigkeit schafft. Die Entnahme eines Teils des Reichtums derjenigen, die am meisten haben und am meisten verdienen, um die Türen der Bildung für alle Kinder und Jugendlichen zu öffnen, sollte nicht als Strafe oder Opfer angesehen werden. Es ist einfach die solidarische Zahlung, die eine erfolgreiche Person an eine Gesellschaft leistet, die seinen Erfolg ermöglicht und garantiert.

Wenn wir in der Lage sind, einen Teil des geschaffenen Wohlstands durch etwas so Einfaches wie Steuerzahlung an unterernährte Kinder weiterzugeben, werden wir gerechter sein und mehr Frieden haben. Es ist nicht nur eine Frage der Wohltätigkeit, sondern der menschlichen Solidarität. Die Solidarität ist es, die ermöglicht hat, dass die Völker überleben und die größten Errungenschaften der Kultur und der Zivilisation erreichen.

Wir haben uns als Menschheit nicht weiterentwickelt, indem wir miteinander konkurrieren, das stimmt nicht; wir haben das getan, indem wir uns geholfen haben. Aus diesem Grund leben wir auf diesem Planeten. Wir werden gleichberechtigt sein, wenn derjenige, der mehr hat, wenn er seine Steuern zahlt, dies mit Freude und Stolz tut, wissend, dass er seinen Mitmenschen, Kindern, Babys, Jugendlichen, Frauen, helfen wird, gesund aufzuwachsen, zu denken, mit der Fülle zu leben, die aus der Ernährung und der Erziehung des Gehirns und der Seele kommt.

Die Solidarität liegt in den Steuern, die derjenige zahlt, der sie zahlen kann, und in den staatlichen Ausgaben, die an diejenigen gehen, die sie für ihre Kindheit, ihre Jugend und ihr Alter benötigen. Die Staatsausgaben sind nicht für die politischen Mafias, sie sind für die Menschen aus dem Volk.

Deshalb haben wir eine Steuerreform, eine Gesundheits- und Rentenreform, eine Reform des Arbeitsvertrags und eine Bildungsreform vorgeschlagen. Deshalb haben wir im Haushalt der Infrastruktur bei Bildung, Gesundheit, Trinkwasser, Bewässerungsgebiete und kommunalen Straßen Priorität eingeräumt.

Die Steuern werden nicht konfiskatorisch, sondern einfach nur gerecht sein, in einem Land, das die enorme soziale Ungleichheit, in der wir leben, als Fehlentwicklung anerkennen muss, in einem Staat, der die Transparenz der Ausgaben schützen muss, und in einer Gesellschaft, die das Recht auf ein Leben in Frieden verdient.

Eine Wissensgesellschaft zu sein, das heißt eine Gesellschaft, in der alle ihre Mitglieder das Maximum an Bildung und Kultur haben, ist keine Utopie. Völker, die seit Jahrzehnten ärmer waren als wir, sind heute Wissensgesellschaften, nur weil sie jahrzehntelang und mit Vorrang in die öffentliche Bildung ihrer Völker investiert haben.

Die Zeit ist gekommen, die Schuld gegenüber unserem öffentlichen Bildungswesen zu begleichen, damit es alle erreicht und qualitativ hochwertig ist.

Die Zeit ist gekommen, sich bewusst zu machen, dass der Hunger heute zunimmt. Er nimmt weltweit zu, weil die Vorstellung von einer Ernährungssicherheit, die ausschließlich auf dem internationalen Handel beruht, zusammengebrochen ist. Der internationale Handel an sich ist weder positiv noch negativ, aber wenn man ihn nicht intelligent und geplant regelt, kann er Ökonomien und Leben zerstören.

Die Welt begreift heute die Wichtigkeit der Ernährungssouveränität. Sie ist die Garantie, dass jede Gesellschaft ihre lebenswichtigen Nahrungsmittel hat. Kolumbien ist ein Land, das Ernährungssouveränität erlangen muss und kann, um zu erreichen, dass es keinen Hunger mehr gibt. Ein Auftrag des Staates zusammen mit dem gesamten Privatsektor, der sich daran beteiligen will, ist es, die vollständige gesunde Ernährung für die ganze kolumbianische Gesellschaft zu gewährleisten und sogar Überschüsse für den Export zu erzielen.

In dem Land, in dem der Mensch den Mais entdeckt hat, müssen wir wieder Mais anbauen. Der Staat muss Bewässerung, Kredite, Techniken, verbessertes Saatgut und Schutz bereitstellen; die Bauernschaft und die Privatwirtschaft können die Arbeit und den täglichen Einsatz beitragen, um sicherzustellen, dass unsere Felder wieder die Nahrungsmittel produzieren, die unser Volk braucht.

Wir werden wieder Bewässerungsgebiete mit der Armee und Bauernhäuser und Landstraßen mit den Soldaten des Heimatlandes bauen.

Armee, Gesellschaft und Produktion können sich in einer neuen, unzerstörbaren Sozialethik vereinigen. Die Hubschrauber, Flugzeuge und Fregatten dienen nicht nur zum Bombardieren oder Schießen; sie dienen auch dazu, die erste Infrastruktur für die Gesundheitsvorsorge des kolumbianischen Volkes zu schaffen.

Nur wenn wir produzieren, werden wir als Gesellschaft reich sein und gedeihen. Der Reichtum liegt in der Arbeit, und die Arbeit hat zunehmend mit Wissen und Erkenntnis zu tun.

Deshalb werden ab heute alle Vermögenswerte der SAE2, die ihren Besitzstatus verloren haben, die Basis einer neuen produktiven Wirtschaft sein, die von bäuerlichen Organisationen, von städtischen Genossenschaften produktiver junger Menschen und von popularen Frauenvereinigungen verwaltet wird.

Die Gleichstellung der Geschlechter ist möglich. Wir können nicht länger zulassen, dass Frauen weniger Arbeitsmöglichkeiten haben und weniger verdienen als Männer, dass sie drei- oder viermal so viele Stunden für Betreuungsarbeit aufwenden müssen, dass sie in unseren Institutionen unterrepräsentiert sind. Es ist an der Zeit, all diese Ungleichheiten zu bekämpfen und die Waage auszugleichen.

Die grüne Zukunft ist möglich. Der Klimawandel ist eine Realität. Und es ist dringend. Das sagen nicht die Linken oder die Rechten, das sagt die Wissenschaft. Wir haben und können ein Modell finden, das wirtschaftlich, sozial und ökologisch nachhaltig ist.

Es wird nur dann eine Zukunft geben, wenn wir unser Leben und die Weltwirtschaft mit der Natur in Einklang bringen. Die Wissenschaft hat das mögliche Aussterben der menschlichen Spezies in nur ein oder zwei Jahrhunderten aufgrund der gesundheitlichen Folgen der Klimakrise angekündigt. Uns bleiben ein oder zwei Jahrhunderte.

Das Covid-Virus hat der gesamten Menschheit die reale und aktuelle Warnung vor dieser Möglichkeit gezeigt.

Die Wissenschaft scheint sich nicht zu irren. Deshalb fordern wir aus Kolumbien von der Welt Handeln statt Heuchelei.

Wir sind bereit, zu einer Wirtschaft ohne Kohle und Öl überzugehen, aber damit helfen wir der Menschheit wenig. Es sind nicht wir, die Treibhausgase ausstoßen. Es sind die Reichen der Welt, die das tun und das menschliche Wesen dem Aussterben näher bringen, aber wir haben nach den Ozeanen den größten Schwamm zur Absorption dieser Gase: den Amazonas-Regenwald.

Eine der Säulen des Klimagleichgewichts und des Lebens auf unserem Planeten ist der Amazonas-Regenwald. Werden wir zulassen, dass dieser Regenwald zerstört wird, um den Punkt zu erreichen, an dem es kein Zurück mehr bei der Auslöschung der Menschheit gibt? Oder werden wir ihn retten, mit der Menschheit selbst, die weiter auf dieser Erde leben will?

Wo ist der globale Fonds zur Rettung des Amazonas-Regenwaldes? Reden werden ihn nicht retten. Wir können die gesamte Bevölkerung, die heute im kolumbianischen Amazonasgebiet lebt, zu einer Bevölkerung machen, die sich um den Regenwald kümmert, aber wir brauchen dafür die Mittel der Welt.

Wenn es so schwierig ist, das Geld zu bekommen, die Kohlenstoffsteuern, die grünen Anleihen, die der vereinbarte Klimafonds gewähren sollte, um etwas so Wesentliches zu retten, dann schlage ich der Menschheit vor, die Auslandsschulden gegen interne Ausgaben zu tauschen, um unsere Dschungel, Wälder und Feuchtgebiete zu retten und wiederherzustellen. Verringert die Auslandsschulden, und wir werden den Überschuss für die Rettung des menschlichen Lebens ausgeben.

Wenn der IWF hilft, die Schulden gegen konkrete Maßnahmen gegen die Klimakrise einzutauschen, werden wir eine florierende neue Wirtschaft und ein neues Leben für die Menschheit haben.

Schluss mit "Das geht nicht", "Das war schon immer so". Heute beginnt das Kolumbien des Möglichen. Heute beginnt unsere zweite Chance.

Von heute an bin ich der Präsident von ganz Kolumbien und von allen Kolumbianerinnen und Kolombianern. Das ist mein Wunsch und meine Pflicht.

Kolumbien ist nicht nur Bogotá. Die Regierung des Wandels wird dezentralisiert sein. Ich verspreche euch, dass wir im ganzen Land sein und arbeiten werden, von Leticia bis Punta Gallinas, von Cabo Manglares bis Isla San José. Die Abwesenheit des Staates in vielen Teilen des Landes ist sehr schmerzhaft. Schluss damit. Ich werde dafür arbeiten, dass der Geburtsort nicht deine Zukunft bestimmt und dass der Staat in jedem Winkel Kolumbiens präsent ist.

Ich bedanke mich für die Anwesenheit von Präsidentinnen, Präsidenten, und anderen Vertretern der Geschwistervölker Lateinamerikas und der ganzen Welt. In einer Zeit, in der wir sehen, wie sich Schwesterländer gegenseitig bombardieren, töten und mit Kugeln durchlöchern, sind hier, im Herzen Kolumbiens, im Herzen Lateinamerikas, ein Dutzend Präsidentinnen und Präsidenten aus der Region anwesend, mit ideologischen Unterschieden und verschiedenem Werdegang, aber alle vereint in diesem wahren Fest der Demokratie.

Es ist an der Zeit, die Blöcke, die Gruppen und die ideologischen Unterschiede hinter sich zu lassen und zusammenzuarbeiten. Wir sollten ein für alle Mal begreifen, dass uns viel mehr verbindet als trennt. Und dass wir gemeinsam stärker sind. Verwirklichen wir die Einheit, von der unsere Helden wie Bolívar, San Martín, Artigas, Sucre und O'Higgins3 träumten. Das ist keine Utopie oder Romantik. Es ist der Weg, um uns in dieser komplexen Welt stärker zu machen.

Wenn wir eine Macht des Wissens sind, wenn wir die Macht der Wirtschaft sind, wenn wir die Macht des Lebens sind, wenn wir gemeinsam handeln, wird die Stimme Lateinamerikas im Konzert der Völker der Welt gehört werden.

Heute müssen wir geschlossener und einiger sein denn je. Wie Simón Bolívar einmal sagte: "Die Union muss uns retten, so wie die Spaltung uns zerstören wird, wenn sie unter uns eindringt". Schluss mit der Teilung Lateinamerikas.

Aber die lateinamerikanische Einheit darf keine Rhetorik, kein bloßer Diskurs sein. Wir haben gerade vielleicht das Schlimmste der Covid-Pandemie erlebt, und Lateinamerika war nicht in der Lage, sich zusammenzuschließen, sich zu koordinieren, die billigsten Impfstoffe zu kaufen, es war praktisch ohne Verhandlungsmacht, zerstreut unter seinen Regierungen.

Werden wir ein Lateinamerika ohne Fähigkeit zu wissenschaftlicher Forschung haben? Ein Lateinamerika, das nicht in der Lage ist, seine Gesundheitsdienste zu koordinieren, nicht fähig, den Kauf von Medikamenten gemeinsam zu koordinieren?

Lateinamerika ist in einigen Institutionen vereint, aber nicht in konkreten Projekten. Haben wir etwa die Verbindung all unserer Stromnetze erreicht? Gibt es ein Stromnetz, das ganz Amerika abdeckt? Haben wir etwa erreicht, dass unsere Energiequellen sauber sind? Ist es nicht an der Zeit, die staatlichen Erdölgesellschaften und unsere Stromübertragungsunternehmen anzutreiben, das lateinamerikanische Geschäfts- und Finanzinstrument zu schaffen, das Investitionen in die Erzeugung sauberer Energie und in die Übertragung dieser Energie im kontinentalen Maßstab fördert?

Kolumbien wird seinen internationalen Schwerpunkt darauf legen, möglichst ehrgeizige Vereinbarungen zur Eindämmung des Klimawandels zu erreichen und den Weltfrieden zu verteidigen. Wir wollen nicht, dass ein Land in ein anderes einmarschiert.

Wir sind nicht für den Krieg. Wir sind für das Leben.

Wir wollen größere Bündnisse mit Afrika schließen, wo wir herkommen, wir werden eine Allianz der Afro-Völker in Amerika anstreben, wir wollen San Andrés4 zu einem Gesundheits-, Kultur- und Bildungszentrum der karibischen Antillen machen; von dort, von San Andrés, aus seinem Volk, werden alle Botschafterinnen und Botschafter Kolumbiens für die Antillen kommen.

Wir werden das Bündnis mit der arabischen Welt auf dem Weg zu den neuen entkarbonisierten Ökonomien suchen. Wir wollen unser Buenaventura5 und unser Tumaco6 mit dem reichen und produktiven Ostasien zusammenzubringen.

Unsere Hymne, die eine der schönsten der Welt ist, sagt "fühlen oder leiden". Kolumbien hat Jahrhunderte des Leidens hinter sich. Eine Mutter, die ihrem Kind nichts zu essen geben kann, leidet darunter. Ein junger Mensch, der auswandert, weil er keine Möglichkeiten findet, leidet darunter. Eine Großmutter oder ein Großvater, die keine würdige Rente haben, leiden darunter.

Das Kolumbien, von dem wir träumen, das Kolumbien, das wir wollen, das Kolumbien, das wir verdienen, ist das Kolumbien, das wir fühlen wollen. Das Kolumbien, das schwingt, das sich bemüht, das sich nach Frieden sehnt und arbeitet, um ihn zu erreichen. Das ein blühendes Land will, mit gleichen Möglichkeiten unabhängig davon, wo man geboren wurde, unabhängig davon, welchen Nachnamen die Eltern haben oder welche Hautfarbe man hat. Das ist das Kolumbien, das wir fühlen wollen und für das wir bis zum letzten Tag unserer Amtszeit arbeiten werden.

In dieser ersten Rede als Präsident von Kolumbien, vor der Legislative und vor meinem Volk, möchte ich meinen Dekalog der Regierung und meine Verpflichtungen darlegen.

Ich habe zehn Verpflichtungen.

1. Ich werde daran arbeiten, den wahren und endgültigen Frieden zu erreichen. Wie niemand sonst, wie nie zuvor. Wir werden das Friedensabkommen erfüllen und die Empfehlungen des Berichts der Wahrheitskommission befolgen. Die "Regierung des Lebens" ist die "Regierung des Friedens".

Der Frieden ist der Sinn meines Lebens, er ist die Hoffnung Kolumbiens.

Wir können die kolumbianische Gesellschaft nicht im Stich lassen. Die Toten haben es verdient. Die Lebenden brauchen es. Das Leben muss die Grundlage des Friedens sein. Ein gerechtes und sicheres Leben. Ein Leben um genüsslich zu leben, um glücklich zu leben, damit die Freude und der Fortschritt unsere Identität sind.

2. Ich werde mich unserer Großväter und Großmütter annehmen und unserer Kinder, der Menschen mit Behinderungen, der Menschen, die die Geschichte oder die Gesellschaft ausgegrenzt haben. Wir werden eine "Politik der Fürsorge" machen, damit NIEMAND zurückbleibt. Wir sind eine solidarische Gesellschaft, die sich um den Nächsten sorgt und kümmert. Ihre Regierung soll auch so sein. Wir werden eine Politik machen, die sensibel ist für das Leid und den Schmerz Anderer, mit Instrumenten und Lösungen, die Gleichberechtigung schaffen.

3. Ich werde mit und für die Frauen Kolumbiens regieren. Heute beginnt hier eine paritätische Regierung mit einem Ministerium für Gleichberechtigung. Endlich! Mit unserer Vizepräsidentin und Ministerin Francia Márquez werden wir daran arbeiten, dass das Geschlecht nicht darüber entscheidet, wie viel man verdient oder wie man lebt. Wir wollen reale Gleichberechtigung und Sicherheit, damit die Kolumbianerinnen in Ruhe ihren Weg gehen können und nicht um ihr Leben fürchten.

4. Ich werde mit allen einen Dialog führen, ohne Ausnahmen und Ausgrenzungen. Dies wird eine Regierung der offenen Türen für jeden sein, der über die Probleme Kolumbiens diskutieren möchte. Wie auch immer die Person heißt, wo auch immer sie herkommt. Das Wichtigste ist nicht, woher wir kommen, sondern wohin wir gehen. Uns eint der Wille zur Zukunft, nicht die Last der Vergangenheit.

Wir werden ein Großes Nationales Abkommen schließen, um die Marschroute für das Kolumbien der kommenden Jahre festzulegen. Der Dialog wird meine Methode sein, Vereinbarungen mein Ziel.

5. Ich werde den Kolumbianerinnen und Kolumbianern zuhören, wie ich es all die Jahre getan habe. Es wird NICHT aus der Ferne regiert, weit weg von den Menschen und abgetrennt von ihrer Realität. Ganz im Gegenteil: Wir regieren, indem wir zuhören. Wir werden Mechanismen und Dynamiken entwickeln, damit sich jeder Kolumbianer in dieser Regierung gehört fühlt. Ich werde nicht hinter den Vorhängen der Bürokratie gefangen sein. Ich werde nah an den Problemen dran sein.

Ich werde neben und an der Seite der Kolumbianer aus allen Teilen des Landes gehen. Hoffentlich öffnen sie mir ihre Häuser, um zu schlafen, wie der Kaffeebauer in Anserma, wie die arme Frau in Quibdó, wie der Fischer am Magdalena-Fluss in Tolima.

6. Ich werde die Kolumbianerinnen und Kolumbianer vor Gewalt schützen und mich dafür einsetzen, dass sich die Familien sicher und ruhig fühlen.

Wir werden dies mit einer umfassenden Sicherheitsstrategie tun. Mit menschlicher Sicherheit. Kolumbien braucht eine Strategie, die von den Präventionsprogrammen, von der sozialen Wiedergutmachung, von der Beendigung des Hungers bis hin zur Verfolgung krimineller Strukturen und der Modernisierung der Sicherheitskräfte reicht. Die geretteten Menschenleben werden unser wichtigster Indikator des Erfolges sein. Sicherheit wird in Menschenleben und nicht in Toten gemessen. Wenn Sicherheit in Toten gemessen wird, führen sie den Staat ins Verbrechen, und dieser Staat ist nicht da, um abscheuliche Verbrechen zu begehen. Dieser Staat ist da, um ein sozialer Rechtsstaat zu sein.

Das Verbrechen wird auf viele Arten bekämpft werden. Alle unerlässlich. Ich möchte kolumbianische Familien vor der täglichen, alltäglichen Unsicherheit schützen: sei es vor der machistischen Gewalt oder jeder anderer Gewalt.

7. Ich werde die Korruption mit harter Hand und ohne Scheu bekämpfen. Eine Regierung der "Nulltoleranz". Wir werden wiederbeschaffen, was sie gestohlen haben, wachsam sein, damit sich das nicht wiederholt, und das System umgestalten, um diese Art von Praktiken zu unterbinden. Weder Familie, Freunde, Kollegen oder Mitarbeiter... niemand ist von der Geltung des Gesetzes ausgeschlossen, von der Verpflichtung gegen die Korruption und von meiner Entschlossenheit, sie zu bekämpfen.

Von heute an werden die Geheimdienstbehörden des Staates weder die politische Opposition, noch die freie Presse, noch die Justiz, noch Andersdenkende verfolgen. Heute ist das Hauptziel der staatlichen Nachrichtendienste die Aufdeckung und Bekämpfung der Korruption.

8. Ich werde unseren Boden und seine Ressourcen, unsere Meere und Flüsse schützen. Unsere Luft und unseren Himmel. Unsere Landschaften prägen uns und erfüllen uns mit Stolz. Und deshalb werde ich nicht zulassen, dass die Gier einiger Weniger unsere Artenvielfalt gefährdet. Wir werden gegen die unkontrollierte Abholzung unserer Wälder vorgehen und die Entwicklung sauberer und erneuerbarer Energien befördern. Kolumbien wird Weltmacht des Lebens sein. Der Planet Erde ist das "gemeinsame Haus" der Menschen. Und Kolumbien wird aus seinem enormen natürlichen Reichtum heraus diesen Kampf um das Leben auf dem Planeten anführen.

9. Ich werde die nationale Industrie, die populare Ökonomie und den ländlichen Raum Kolumbiens entwickeln.

Zweifellos werden wir der Bäuerin, der Frau in der popularen Ökonomie Priorität geben; dem Kleinst-, Klein- und mittelständischen Unternehmer von Kolumbien. Aber unsere Aufforderung ist, zu produzieren, zu arbeiten, uns bewusst zu machen, dass wir nur dann eine reiche Gesellschaft sein werden, wenn wir arbeiten. Und dass die Arbeit im 21. Jahrhundert zunehmend von Wissen, vom Gehirn, der menschlichen Intelligenz bestimmt ist.

Wir werden alle begleiten und unterstützen, die sich um Kolumbien bemühen. Den Bauer, die Bäuerin, die im Morgengrauen aufstehen. Den Kunsthandwerker, die Kunsthandwerkerin, die unsere Kultur lebendig halten. Den Unternehmer, die Unternehmerin, die Arbeit schaffen. Den Kulturarbeiter und die Kulturarbeiterin, die die menschliche Sensibilität weiterentwickeln.

Die Wissenschaft, die Kultur und das Wissen sind der Treibstoff des 21. Jahrhunderts. Wir werden die Gesellschaft des Wissens und der Technologie entwickeln.

10. Ich werde unsere Verfassung einhalten und durchsetzen. Wie Artikel 1 sagt: "Kolumbien ist ein sozialer Rechtsstaat, organisiert als einheitliche, dezentralisierte, demokratische, partizipative und pluralistische Republik, mit Autonomie seiner Gebietskörperschaften, beruhend auf der Achtung der Menschenwürde, auf der Arbeit und der Solidarität der Personen, die sie bilden, und auf dem Vorrang des Allgemeininteresses".

Wir werden auch einen neuen Rechtsrahmen entwickeln, um unsere Entwicklung nachhaltig, gerecht und gleichberechtigt zu gestalten. Das Gesetz ist, wie Paolo Flores d'Arcais sagt, die Macht derer, die keine Macht haben. Wir brauchen bessere Gesetze, neue Gesetze im Dienst der großen Mehrheiten und müssen ihre Einhaltung sicherstellen.

Ich vertraue sehr darauf, dass die Debatten in unserem Kongress der Republik fruchtbar sein und Ergebnisse für die kolumbianische Gesellschaft bringen werden.

Es gibt viele Aufgaben und ich habe volles Vertrauen in unsere Vertreter der kolumbianischen Gesellschaft im Kongress. Neue und alte.

Und schließlich werde ich Kolumbien vereinen. Wir werden uns alle vereinen, unser geliebtes Kolumbien. Wir müssen "Schluss" sagen zu der Spaltung, mit der wir als Volk konfrontiert sind. Ich will keine zwei Länder, wie ich auch keine zwei Gesellschaften will. Ich will ein starkes, gerechtes und geeintes Kolumbien.

Die Herausforderungen und Anforderungen, vor denen wir als Nation stehen, verlangen eine Etappe der Einheit und grundlegender Übereinstimmungen. Das ist unsere Verantwortung.

Hier schließe ich mit dem, was mir ein Arhuaca-Mädchen7 vor drei Tagen bei der Zeremonie zur Amtseinführung der Ahnen sagte, die wir am Freitag im Herzen der Welt, wie die Kinder der Sierra Nevada de Santa Marta es nennen, abhielten: "Um das Leben zu harmonisieren, um die Völker zu vereinen, um die Menschheit zu heilen, den Schmerz meines Volkes fühlend, meiner Leute hier, diese Botschaft des Lichts und der Wahrheit, möge sie sich in deinen Adern, in deinem Herzen ausbreiten", sagte sie mir, "und zu Taten der Vergebung und der weltweiten Versöhnung werden, aber zuerst in unseren Herzen, zuerst in meinem Herzen. Danke."

Diese zweite Chance ist für sie, das Arhuaca-Mädchen, für alle Kinder Kolumbiens.

(Leicht gekürzt)

  • 1. Gemeint ist das Schwert von Simón Bolívar, Kämpfer gegen den Kolonialismus und für die Einheit Lateinamerikas. Der scheidende Präsident Iván Duque hatte die Genehmigung verweigert, dass das Schwert Teil der Zeremonie zur Amtseinführung von Petro ist. Dieser reagierte sofort, als er die Präsidentenschärpe erhielt: "Als Präsident Kolumbiens fordere ich die Präsidentengarde auf, das Schwert Bolívars zu bringen, das ist ein Befehl des Volkes". Alle anwesenden Staatsoberhäupter erhoben sich bei Eintreffen des Schwerts von ihren Plätzen – mit Ausnahme von Felipe VI., König von Spanien
  • 2. Die Gesellschaft für Sondervermögen (Sociedad de Activos Especiales, SAE) ist dem Finanzministerium unterstellt. Sie verwaltet Vermögenswerte, die Produkt illegaler Aktivitäten wie zum Beispiel dem Drogenhandel sind. Es können Ländereien, Häuser, Juwelen, Kraftfahrzeuge etc. sein
  • 3. Simón Bolívar, José de San Martín, José Gervasio Artigas, Antonio José de Sucre und Bernardo O’Higgins Riquelmet waren lateinamerikanische Befreiungskämpfer gegen den Kolonialismus
  • 4. Die Isla de San Andrés ist eine Insel im Karibischen Meer, die zu Kolumbien gehört
  • 5. In Buenaventura ist der bedeutendste Seehafen am Pazifik
  • 6. Tumaco hat den wichtigsten Erdölhafen
  • 7. Die indigene Arhuaca-Gemeinschaft lebt an der südwestlichen Seite der Sierra Nevada de Santa Marta im Departamento Magdalena