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Paramilitärs terrorisieren Kleinbauern im Norden von Kolumbien

Paramilitärische Gewalt nimmt weiter zu. Konflikt um Kokainanbau und Handel. Bauern wollen aussteigen

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Die Paramilitärs haben die Einwohner gezwungen, bei der Hinrichtung von zwei Kleinbauern zuzuschauen
Die Paramilitärs haben die Einwohner gezwungen, bei der Hinrichtung von zwei Kleinbauern zuzuschauen

Bogotá. Der Verband der Kleinbauern des nordöstlichen Departements Córdoba (Ascsucor) ist wegen der zunehmenden Gewalt der paramilitärischen Drogenbanden der Region alarmiert. Die Paramilitärs marschieren in die Ortschaften ein, töten Einwohner und fordern sie auf, ihre Grundstücke zu verlassen. Über 2.000 Menschen wurden von diesen Banden in den letzten zwei Monaten vertrieben. Unter den Getöteten sind Kleinbauern, die ihre Kokapflanzungen aufgegeben und sich beim Programm der Substitution illegalen Drogenanbaus (PNIS) engagiert hatten. Das Programm ist Teil des Friedensabkommens zwischen Farc-Guerilla und Regierung.

Zuletzt hat eine schwer bewaffnete zehnköpfige Einheit der paramilitärischen Struktur "Caparrapos" das Dorf San José de Uré überfallen. Die Paramilitärs haben die Einwohner, darunter Senioren, Schwangere und Kinder, versammelt, sie gezwungen, sich auf dem Boden zu legen, drangsaliert und zwei junge Kleinbauern vor aller Augen umgebracht. Einen dritten getöteten Kleinbauern haben die Behörden später in der Nähe gefunden. Die Opfer, Javier Pertuz, Jader Polo und Luis Velázquez, beteiligten sich am PNIS. Am Montag wurde dann noch ein Angehöriger einer Landbesetzungsgruppe ermordet, nachdem die paramilitärische Selbstverteidigungsgruppe Gaitán (AGC) diese mit dem Tod bedroht hatte.

Die paramilitärischen Angriffe auf die Bevölkerung im Süden von Córdoba haben zugenommen, nachdem die früheren Kokabauern im Februar mit Protestaktionen die ultrarechte Regierung von Präsident Iván Duque zur Umsetzung des PNIS aufgefordert hatten. Circa 3.000 Familien hatten sich dem Programm angeschlossen, die Unterstützung zu einem Existenzaufbau ohne Kokaanbau jedoch nicht bekommen. Sie machen für das PNIS mobil, weil sie mit gravierenden Existenzproblemen ringen.

Die allmähliche Entvölkerung des Südens von Córdoba als Folge der Massenvertreibungen kommt Megaprojekten im Bergbaubereich zugute, äußerten Beamte des Ombudsmanns für Menschenrechte gegenüber der Tageszeitung El Espectador. Die Region ist nicht nur für den Kokaanbau geeignet, sondern auch reich an Gold, Kohle, Nickel und Kupfer. Erst kürzlich hatte das zuständige Ministerium der kanadischen Bergbaufirma Córdoba Minerals 20.000 Hektar Land zur Kupfer- und Goldgewinnung zugeteilt.

In diesem Sinne bilden der Süden von Córdoba und die Nachbarregion Bajo Cauca im Norden des Departments Antioquia ein strategisches Gebiet für den Bergbau und den Drogenhandel. Mehrere paramilitärische Organisationen führen daher einen Krieg um die Kontrolle dieser Region, die früher Terrain der Farc-Guerilla war. Die AGC, die Caparrapos und Fraktionen von mexikanischen Drogenkartellen sind heute darin verwickelt. Auch Farc-Demobilisierte, die wieder zu den Waffen gegriffen haben, sollen dort als "Frente 18" präsent sein. Sie sollen teilweise mit den Caparrapos kooperieren. Laut Ascsucor seien Männer der Frente 18 bei dem Angriff in San José de Uré mit dabei gewesen.

Bezeichnend für die paramilitärischen Gruppen sind ihre grausamen Methoden. In Bajo Cauca haben sie den abgehackten Kopf eines Menschen sowie aufgehängte Leichen an öffentlichen Plätzen hinterlassen. Einheimische sprechen ebenso von "Hackhäusern" in Bajo Cauca, wo die Opfer zerstückelt werden. Ende 2018 warfen die Caparrapos eine Granate in eine Diskothek und verletzten 25 Menschen. Der Angriff galt AGC-Angehörigen. Am Sonntag hat eine bewaffnete Struktur mit Granaten und Gewehren zwei Häuser auf dem Land attackiert und dabei vier Menschen ermordet.

Die Regierung Duque hatte Ende 2018 die Einsatzeinheit Aquiles mit 5.000 Mann aufgestellt und in die Region gesendet. Die Militärs gehen jedoch nicht in die ländlichen Zonen, die von paramilitärischen Strukturen kontrolliert sind. Sie intervenieren nicht, wenn Paramilitärs gegeneinander kämpfen, so der Sprecher von Ascsucor, Arnobis Zapata. Hingegen zwingen sie die Kleinbauern, sich von ihnen durchsuchen zu lassen und tragen ihre Daten in Register ein. Dazu hat das Militär keine rechtlichen Befugnisse. Manchmal werden die Einheimischen zudem von Zivilisten ohne Kennzeichnung angehalten und durchsucht. Darüber hinaus gibt es Vorwürfe gegen den Kommandanten der Aquiles-Einheit, General Alberto Rodríguez, wegen Verwicklungen in extralegale Hinrichtungen, sogenannte "falsos positivos".