Neue Art der Beziehungen in Südamerika: Vizepräsidentin von Kolumbien bereist die Region

Francia Márquez stellt "nationales Projekt" der künftigen Regierung vor. Gespräche mit Präsidenten, Regierungsmitgliedern, Lula und sozialen Bewegungen

31.07.2022_kolumbien_francia_besucht_chile_brasilien_argentinien.jpg

Bei ihrem Besuch in Brasilien tauschte sich Francia Marquéz mit Lula aus
Bei ihrem Besuch in Brasilien tauschte sich Francia Marquéz mit Lula aus

São Paulo et al. Am 7. August wird die neu gewählte Linksregierung von Gustavo Petro und Vizepräsidentin Francia Márquez offiziell die Amtsgeschäfte in Kolumbien übernehmen. Zuvor hat sich Márquez in der vergangenen Woche auf eine Südamerikareise begeben, auf der sie die Präsidenten und Regierungsmitglieder Argentiniens, Chiles und Boliviens sowie in Brasilien den Präsidentschaftskandidaten Luiz Inácio Lula da Silva besuchte und mit sozialen Organisationen zusammentraf.

Márquez ist die erste Frau und Person afrikanischer Abstammung, die in Kolumbien ein hohes Regierungsamt inne hat.

Ihre Reise begann am 26. Juli in Brasilien in den beiden größten Städten des Landes, São Paulo und Rio de Janeiro. In der brasilianischen Presse wurde ihr Aufenthalt aufmerksam beobachtet. Zum einen wegen der im Oktober anstehenden Präsidentschaftswahlen und zum anderen, weil sie Ex-Präsident (2003 - 2011) Lula da Silva besuchte, der für eine dritte Amtszeit antritt. Er führt aktuell als Kandidat der Mitte-Links-Oppositionskoalition die Umfragen an (amerika21 berichtete).

Auch Treffen mit verschiedenen sozialen Organisationen standen auf Márquez' Programm. Eine Zusammenkunft mit dem ultrarechten Präsidenten Jair Bolsonaro, ebenfalls Kandidat für die Wiederwahl, lehnte sie ab.

Themen zwischen Márquez und Lula waren die lateinamerikanische und globale Lage, der Kampf gegen Hunger und Rassismus, die anstehenden Wahlen in Brasilien sowie die Aussichten der künftigen kolumbianischen Linksregierung.

Márquez informierte sich auch über die Sozialprogramme, die Lula und seine Nachfolgerin Dilma Rousseff während ihrer Amtszeiten eingeführt hatten.

"Wir wollen einen brüderlichen Dialog mit politischen und gesellschaftlichen Führern über Fragen des Friedens, der Gleichberechtigung, des Klimawandels und der Rassengerechtigkeit in der Region führen", sagte Márquez beim Treffen mit Lula.

Anschließend reiste sie weiter nach Chile, wo sie zunächst mit Präsident Gabriel Boric im Präsidentenpalast La Moneda zusammentraf. Auf seinem Twitter-Account schrieb Boric: "Márquez ist eine große Anführerin und Umweltschützerin, mit der ich die Vision der Vereinigung unserer Völker und Lateinamerikas teile".

Ein wichtiges Thema des Treffens war der anhaltende Konflikt des kolumbianischen Staates mit der Guerilla Nationale Befreiungsarmee (ELN). "Unsere größte Herausforderung ist es, Frieden in Kolumbien zu schaffen", sagte Márquez beim Treffen mit Boric.

Für die mögliche Wiederaufnahme des Dialogs zwischen der Regierung und der ELN bot Boric der designierten Vizepräsidentin Chile als Veranstaltungsort an.

Sowohl die künftige Regierung unter Petro als auch die ELN haben ihre Bereitschaft bekundet, die Friedensverhandlungen wieder aufzunehmen (amerika21 berichtete). Der ehemalige Präsident Juan Manuel Santos (2010 ‒ 2018) hatte die Gespräche im Februar 2017 in Ecuadors Hauptstadt Quito begonnen, 2018 wurden sie ohne Fortschritte nach Kuba verlegt. Ecuador, Venezuela, Chile, Brasilien und Kuba fungierten gemeinsam mit Norwegen als Garanten der Verhandlungen.

Anfang 2019 erklärte Präsident Iván Duque die Friedensgespräche mit der ELN offiziell für beendet (amerika21 berichtete). Er nahm einen Autobombenanschlag auf eine Polizeischule in Bogotá zum Anlass. Die Verhandlungen waren zu diesem Zeitpunkt bereits in einer Sackgasse, Duque hatte seit seinem Amtsantritt der ELN einseitige Bedingungen für den Dialog gestellt.

Im Rahmen ihres Aufenthalts in Santiago nahm Márquez anschließend an einer Veranstaltung mit feministischen und antirassistischen Organisationen an der Universität von Chile teil.

Ihre dritte Station war Argentinien, wo sie mit Präsident Alberto Fernández und Vizepräsidentin Cristina Kircher sowie mit dem Friedensnobelpreisträger Adolfo Pérez Esquivel zusammenkam. Fernández und Márquez sprachen über die Herausforderungen für die Region im Umweltbereich, die Rechte der Menschen afrikanischer Abstammung und die internationale politische Lage. Beide kamen überein, eine gemeinsame Arbeitsagenda zwischen ihren Ländern zu fördern.

Die letzte Station ihrer Reise führte Márquez nach La Paz, Bolivien, wo sie mit Präsident Luis Arce und seinem Vize David Choquehuanca zusammentraf. "Heute umarmen wir uns als geschwisterliche Völker, um Lateinamerika zu einer Weltmacht des Lebens zu machen", twitterte Márquez dazu. Zudem fanden Treffen mit indigenen und bäuerlichen Frauenorganisationen statt.