Steuerreform in Kolumbien: Die Regierung besteuert Reiche und Ölmultis stärker

Regierungskoalition setzt Reform mit großer Mehrheit im Kongress durch. Präventives Gesundheitsmodell startet mit 1.000 medizinischen Teams

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Finanzminister José Antonio Ocampo (Mitte), Regierungsangehörige und Parlamentarier:innen im Kongress nach siegreicher Abstimmung
Finanzminister José Antonio Ocampo (Mitte), Regierungsangehörige und Parlamentarier:innen im Kongress nach siegreicher Abstimmung

Bogotá. Nach dreimonatigen Debatten hat das Parlament in Kolumbien der von der linken Regierung von Präsident Gustavo Petro vorgeschlagenen Steuerreform zugestimmt. Es handele sich um "die progressivste Steuerreform der Geschichte Kolumbiens", so der Finanzminister José Antonio Ocampo. Künftig werden Reiche, Kohle- und Erdölkonzerne sowie Dividenden stärker besteuert. Außerdem wird eine Vermögenssteuer eingeführt.

Das "historische Gesetz" soll dazu beitragen, die "riesige soziale Schuld zu begleichen", sagte Ocampo. "Den Hunger zu beseitigen, Armut und Ungleichheit sowie die Privilegien einiger weniger zu verringern", seien grundlegende Versprechen der Regierung, so der Finanzminister. Mit der beschlossenen Steuerreform werde die Regierung Petro diese Versprechen vorantreiben.

Kolumbien gehört zu den Ländern mit den niedrigsten Steuereinnahmen Lateinamerikas. Während der Durchschnitt bei 16 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegt, nimmt der kolumbianische Staat nur 13 Prozent des BIP durch Steuern ein.

Das neue Regelwerk tritt 2023 in Kraft. Dadurch erhöhen sich die Steuereinnahmen um 20 Billionen Pesos pro Jahr, was ca. 4 Milliarden Euro entspricht. Innerhalb der vierjährigen Amtszeit Petros bedeutet dies um die 80 Billionen (ca. 16 Milliarden Euro) Mehreinnahmen des Staates. Die Regierung will damit unter anderem ins Gesundheits- und Bildungssystem, in landwirtschaftliche Programme, in den sozialen Wohnungsbau und in die Unterstützung der kleinen Betriebe der unteren Schichten investieren.

Es handle sich um die am intensivsten diskutierte Steuerreform aller Zeiten, so Ocampo. Er habe mindestens 400 Stunden investiert, um mit dem öffentlichen und dem privaten Sektor vor der Parlamentsabstimmung einen Konsens zu erzielen. Vor allem die Gremien der Großunternehmen leisteten gegen die Reform großen Widerstand.

Schließlich wurden einige Steuersätze abgemildert. Die Steuereinnahmen werden insgesamt nicht wie ursprünglich geplant um 1,78 Prozent des BIP steigen. Ihre Zunahme beträgt nur etwa 1,2 Prozent des BIP. Nach Debatten mit den traditionellen Parteien stimmten beide Kammern des kolumbianischen Parlaments, dem Kongress, zu. 125 Abgeordnete des Repräsentantenhauses, dem Unterhaus, stimmten dafür und 20 dagegen. Im Senat, dem kolumbianischen Oberhaus, wurde die Steuerreform mit 63 Ja-Stimmen und 13 Nein-Stimmen angenommen.

Die Steuerreform bringt einige Neuheiten mit sich. So werden die Erdölunternehmen zusätzliche Steuern neben der normalen Ertragssteuer von 35 Prozent bezahlen müssen, zwischen 5 und 15 Prozent je nach Höhe des internationalen Ölpreises. Das bedeutet, dass ihr Steuersatz zwischen 35 und 50 Prozent liegen wird. Neu ist auch, dass die Ölmultis ihre Lizenzgebühren nicht mehr von der Steuer absetzen können.

Das Gleiche gilt für die Kohleunternehmen, wobei ihre Steuererhöhungen zwischen 5 und 10 Prozent liegen. Darüber hinaus werden die Steuern für Finanzunternehmen und Wasserkraftwerke um 3 bis 5 Prozent erhöht, sodass sie einen Steuersatz von insgesamt 35 bis 40 Prozent zahlen müssen.

Auch Besserverdienende, die mehr als zehn Millionen Pesos (ca. 2.000 Euro) monatlich verdienen, werden stärker besteuert. In Kolumbien liegt das Durchschnittseinkommen von 70 Prozent der Bevölkerung zwischen etwa 470.000 Pesos und 765.000 Pesos (zwischen 95 und 156 Euro) pro Monat.

Übergewinne aus Verkäufen oder Erbschaften werden nicht mehr mit 10, sondern mit 15 Prozent besteuert.

Durch die neue Vermögenssteuer werden Reiche höhere Steuern zahlen müssen. Wer über ein Vermögen von mehr als drei Milliarden Pesos (etwa 610.000 Euro) verfügt, zahlt eine Vermögenssteuer von 0,5 Prozent. Ab fünf Milliarden Pesos (ca. eine Millionen Euro) steigt der Steuersatz auf 1 Prozent und ab zehn Milliarden Pesos Vermögen auf 1,5 Prozent. Auch die Steuer auf Unternehmensdividenden wird auf 15 bis 20 Prozent erhöht.

Diese Woche muss die Steuerreform vom Kongress formell verabschiedet und danach von Präsident Gustavo Petro unterschrieben werden.

Die Regierung will im nächsten Jahr andere wichtige Reformen des Gesundheitswesens, des Rentensystems und des Arbeitsrechts umsetzen. Petro und die Gesundheitsministerin Carolina Corcho haben inzwischen ein neues präventives Gesundheitsmodell auf den Weg gebracht. Damit soll die Bevölkerung in bislang vernachlässigten Landesteilen eine medizinische Versorgung erhalten, die sie behandelt und bereits vor dem Auftritt von Krankheiten begleitet.

Corcho kündigte den Start von 1.007 medizinischen Teams an, die landesweit tätig sein sollen. Die Teams werden sich unter anderem aus Fachleuten der Krankenpflege, Psychologie und Zahnmedizin zusammensetzen. Ziel sei es, 20.000 solcher Teams zu bilden, um fünf Millionen Familien medizinisch zu versorgen, twitterte Petro.