Port-au-Prince/San Juan. Interimspremierminister Ariel Henry ist die Rückkehr von einem Auslandsaufenthalt nach Haiti nicht gelungen. Nach der von ihm verkündeten erneuten Verschiebung der Wahlen brachen in Haiti Unruhen aus, die zu Kämpfen zwischen bewaffneten Gruppen und der Polizei um den internationalen Flughafen von Port-au-Prince führten. Dieser musste geschlossen werden und die benachbarte Dominikanische Republik sperrte den Luftraum, sodass Henry ein alternativer Rückweg versperrt blieb.
Henry kam von einer Reise nach Kenia, wo er am 29. Februar mit Präsident William Ruto eine Vereinbarung über die Entsendung von 1.000 kenianischen Polizisten nach Haiti unterzeichnete. Die Reise war notwendig geworden, um nach Einwänden des kenianischen Verfassungsgerichts eine vom UN-Sicherheitsrat gebilligte internationale Polizeimission zu formalisieren, die in Haiti die öffentliche Sicherheit wiederherstellen soll.
Ein Übereinkommen vom Dezember 2022 sah vor, dass Henry nach der Ermordung des seit 2017 amtierenden Präsidenten Jovenel Moïse Anfang Juli 2021 für 14 Monate im Amt bleiben und dieses am 7. Februar dieses Jahres abgeben sollte.
Seine Aufgabe sollte sein, einen provisorischen Wahlrat einzurichten und die Organisation der nächsten Wahlen zu übernehmen. Als er vor einigen Tagen auf dem Gipfel der Gemeinschaft lateinamerikanischer und karibischer Staaten (Celac) bekannt gab, dass die Parlamentswahlen erst im August 2025 abgehalten werden könnten, explodierte Haiti. Führende Kräfte des Aufstands erklärten zum Ziel, den Interimspremier von der Macht zu entfernen. Gleichzeitig wenden sie sich entschieden gegen die von der Regierung gewünschte internationale Polizeitruppe.
Die Lage in Port-au-Prince wird als alarmierend geschildert. Seit Donnerstag letzter Woche kommt es in der Hauptstadt zu ständigen Schießereien zwischen bewaffneten Gruppierungen und der Polizei. Barrikaden wurden errichtet, am Samstag wurde die zentrale Haftanstalt des Landes gestürmt und mehr als 3.600 Gefangene kamen frei. Tags zuvor sollen bewaffnete Gruppen versucht haben, die Kontrolle über den wichtigsten Containerhafen der Hauptstadt zu übernehmen.
Haiti leidet seit Jahren unter einer unkontrollierten Bandengewalt, die täglich Opfer fordert und tausende Einwohner zur Flucht aus ihren Vierteln zwingt. Da der Staat die Menschen nicht schützt, haben sich in Teilen des Landes bürgerwehrähnliche Kräfte organisiert. In der Berichterstattung werden sie pauschal dem Bandenunwesen zugerechnet.
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Sie treten jedoch zunehmend mit politischen Forderungen in Erscheinung (amerika21 berichtete) und haben sich zu einer Koalition "Viv Ansanm" (Zusammen leben) zusammengeschlossen. Einer der prominenten Anführer, der frühere Polizist Jimmy Cherizier, erklärte, sie kämpften für die Verbesserung der Lebensbedingungen der armen Bevölkerung und um "das Land zu befreien". Man würde sich nicht gegen die Polizei des Landes wenden. Die meisten der Polizeimitglieder "stammen aus denselben sozialen Schichten wie wir", sagte Cherizier. Er fügte hinzu: "Unsere wirklichen Feinde sind die Regierung, die Minister, die Generaldirektoren (...), die Leute, die die Verantwortung haben, für Sicherheit zu sorgen, und das nicht tun“.
Tatsächlich gibt es immer wieder Kritik aus Polizeikreisen, dass die Gewalt im Lande verringert werden könne, "aber die politischen Behörden haben keinen Willen dazu", wie Garry Jean Baptiste, Delegierter der Polizeigewerkschaft SPNH anprangerte. Die Tatenlosigkeit der Regierung sei "ein Komplott, um die nationale Polizei zu zerstören und ihre Ohnmacht zu zeigen, damit eine internationale Truppe zu Hilfe gerufen werden kann".
Premier Henry soll indes in Puerto Rico gestrandet sein, ein sogenanntes Außengebiet der USA. Die kubanische Nachrichtenagentur Prensa Latina zitierte einen Beamten des Nationalen Sicherheitsrates der USA, dass das Weiße Haus "keine Unterstützung für die Rückkehr des Premierministers nach Haiti" leiste. Der geschäftsführende US-Gesandte in Haiti, Eric Stromayer, hatte erst vor wenigen Wochen erklärt, dass seine Regierung Henry weiterhin uneingeschränkt unterstütze.
Den Berichten nach hält die US-Regierung die weitere Verschiebung der überfälligen Wahlen nicht mehr für haltbar. Stromayer äußerte nun, dass "Ariel Henry nach den Wahlen gehen wird", als die einzige Möglichkeit, den zu lange andauernden Übergang zu beenden.
Die Botschafterin der USA bei den Vereinten Nationen, Linda Thomas-Greenfield, bestätigte inzwischen den Kurswechsel. Sie forderte Henry auf, "dringend zu handeln", um "einen politischen Prozess in Gang zu setzen, der zu einem präsidialen Übergang" in Haiti führt.
"Wir sind sehr besorgt über die Situation vor Ort", so Thomas-Greenfield. Die Beschleunigung des Übergangs solle helfen, die Sicherheit Haitis zu gewährleisten und auf die dringendsten Bedürfnisse der Bevölkerung zu reagieren.