Regierung in Panama unterdrückt Massenproteste gegen geplante Rentenkürzungen

Streik von Lehrer:innen gegen Rentenreform weitet sich zu landesweiten Protesten aus. Regierung reagiert mit Gewalt. Chiquita entlässt tausende Angestellte

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Mitglieder der Baugewerkschaft Suntracs bei einer Demonstration am 8. Juni gegen die neoliberalen Reformen und die Verfolgung ihrer Anführer
Mitglieder der Baugewerkschaft Suntracs bei einer Demonstration am 8. Juni gegen die neoliberalen Reformen und die Verfolgung ihrer Anführer

Panama-Stadt. Straßenblockaden, landesweite Demonstrationen und Streiks gegen die Politik der konservativen Regierung von Präsident José Raúl Mulino erschüttern Panama.

Was zunächst als überschaubarer Widerstand gegen eine Reform der Sozialversicherungssysteme begann, hat sich zum landesweiten Protest gegen die als neoliberal kritisierte Politik der Regierung sowie die Gesamtausrichtung der Wirtschaft Panamas ausgeweitet.

Nach heftigen Debatten im Parlament und unter Kritik von Gewerkschaften und sozialen Organisationen verabschiedete die Regierung im März das Gesetz 462, das eine umfassende Reform der Sozialversicherungssysteme und insbesondere der öffentlichen Rentenversicherung vorsieht. Am 23. April rief die Lehrer:innengewerkschaft des öffentlichen Dienstes zu einem unbefristeten Streik gegen die Reform auf. Diesem schlossen sich unmittelbar Gewerkschaften anderer Sektoren an, unter anderem die großen Gewerkschaften der Bau- und Obstplantagenarbeiter:innen.

In Teilen des Landes legen Straßenblockaden seitdem den Verkehr weitgehend lahm. Vielerorts sind Schulen geschlossen, obwohl Bildungsministerin Lucy Molinar die streikenden Lehrer:innen dazu aufgerufen hat, den Unterricht wieder aufzunehmen.

Die Regierung reagiert mit zunehmender Polizeigewalt und Repression gegen Anführer:innen der Proteste. Über Teile des Landes wurde der Notstand verhängt. Gleichzeitig versucht sie im Dialog mit Einzelgewerkschaften eine modifizierte Fassung des Gesetzes 462 zu erarbeiten. Eine gänzliche Rücknahme schließt Präsident Mulino jedoch aus.

Seine konservative Regierung begründet das Gesetz 462 mit einem Defizit des Rentensystems von über 650 Millionen US-Dollar. Die Reform sieht eine Erhöhung des Renteneintrittsalters, Rentenkürzungen und die Privatisierung von Dienstleistungen vor. Laut Kritiker:innen führt dies zu "Renten des Elends und Hungers" für Arbeiter:innen und ihre Familien.

Den Protesten haben sich derweil auch Studierende und indigene Gemeinschaften angeschlossen. Sie rufen auch zum Widerstand gegen ein kürzlich unterzeichnetes Abkommen mit den USA auf, das eine Präsenz von US-Soldaten im Land erlaubt. Ebenso wird die geplante Wiedereröffnung der Kupfermine Donoso in der Provinz Colón kritisiert, deren Schließung der Oberste Gerichtshofs im November 2023 angeordnet hatte.

In der ärmsten Provinz Panamas, Bocas del Toro, an der Karibikküste im Nordwesten des Landes, hat der US-Obstkonzern Chiquita unterdessen 4.800 Plantagenarbeiter:innen entlassen. Sie hatten sich einem Aufruf der Gewerkschaft der Bananen- und Agrararbeiter:innen (Sitrabibana) zu einem unbefristeten Streik gegen die Regierungspolitik angeschlossen. Ein Arbeitsgericht hat diesen Streik für illegal erklärt.

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Chiquita, das Nachfolgeunternehmen der berüchtigten United Fruit Company, begründet die Massenentlassungen mit Arbeitsverweigerung und wirtschaftlichen Verlusten. Chiquita kontrolliert rund 90 Prozent der nationalen Produktion von Bananen, dem wichtigsten Exportgut des Landes.

Inmitten des landesweiten Streiks durchsuchten Sicherheitskräfte die Geschäftsräume der klassenkämpferischen Baugewerkschaft Suntracs aufgrund vermeintlicher Geldwäsche. Genaro López, Führungsperson der Gewerkschaft, hat sich nach einem Haftbefehl der Justiz gestellt.

Saúl Méndez, Generalsekretär von Suntracs, hat am 21. Mai politisches Asyl in der Botschaft Boliviens in Panama-Stadt beantragt. Während sein Antrag geprüft wird, befindet er sich in der diplomatischen Vertretung unter temporärem Schutz. Méndez hat Präsident Mulino als "kleinen Diktator" bezeichnet und wirft ihm vor, Suntracs zerschlagen zu wollen.

Auch die indigenen Anführer der Proteste, Lucrecia Caisamo und Evelardo Membache, sind verhaftet worden. Außerdem übt die Regierung über die Universitätsleitungen Druck auf die studentischen Proteste aus. So ist der Student Eduardo García wegen seiner Teilnahme an den Protesten für fünf Jahre von der Universität ausgeschlossen worden. 

Die Repression in Panama hat zu internationalen Reaktionen geführt. Einzelgewerkschaften und Gewerkschaftsverbände aus ganz Lateinamerika haben sich mit ihren panamaischen Kolleg:innen solidarisch erklärt.

Mittlerweile hat sich auch die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) eingeschaltet. Auf einer Arbeitskonferenz der ILO berichtete eine Gewerkschaftsdelegation aus Panama über die Situation im Land, das mittlerweile zu den 24 Ländern zählt, in denen die Gewerkschaftsfreiheit am stärksten verletzt wird.

In einem Schreiben an die Regierung Panamas fordert die ILO Auskunft über die Kriminalisierung von Demonstrierenden, manipulierte Gerichtsverfahren, Polizeigewalt gegen Arbeiter:innen sowie rechtswidrig zurückgehaltene Gewerkschaftsgelder.