Die Ermordung von Nicolás Maduro in Venezuela ist Teil eines Neuen Plan Condor

Lateinamerikanische Oligarchien und ausländische Mächte haben zu einer Offensive gegen die Linke angesetzt, meint Orlando Pérez aus Ecuador

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Tausende demonstrierten am Montag in Venezuelas Hauptstadt Caracas gegen den Mordversuch an Präsident Maduro
Tausende demonstrierten am Montag in Venezuelas Hauptstadt Caracas gegen den Mordversuch an Präsident Maduro

Die Einschätzung, dass ein neuer Plan Condor1 in Lateinamerika im Gang ist, bewerten einige "progressive" Analysten und Anführer der "Linken" – ohne die wohlbekannten Rechten auszuschließen – als Übertreibung und Nostalgie. Es gehe lediglich darum, die angebliche oder vorübergehende Niederlage der revolutionären politischen Prozesse in der Region zu rechtfertigen.

Aber was am vergangenen Samstag mit dem venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro geschah, bestätigt die Einschätzung und untermauert die These, dass ein Neuer Plan Condor (NPC) in Gang gesetzt wurde. Das Geschehen belegt, wie dieser Plan von verschiedenen Akteuren und politischen Gruppierungen aufgebaut wurde. Auch der sogenannte Journalist Jaime Bayly, der in seinem Programm am 6. August in lockerem Ton bedauerte, dass der Angriff nicht erfolgreich war2) bestätigte dieser These.

Es geht nicht mehr um veraltete Verschwörungstheorien oder um ein Game of Thrones im kreolischen Stil.

Heute ist mehr als klar, dass dieser NPC mehrere Ansatzpunkte hat und seine Taktiken ändert, wenn er das Scheitern der vorherigen, je nach Land und Personen, betrachtet.

Eine Methode ist der juristische Weg, wenn der militärische und geheimdienstliche Apparat Richter und Staatsanwälte kontrolliert. Zuerst wird die Medienoffensive gestartet, um "Korrupte" mittels Titelseiten, Schlagzeilen, Kommentaren und vermeintlichen journalistischen Untersuchungen zu diskreditieren und aufzubauen. Mit diesen Utensilien entwickelt die Rechte ihre politische Offensive und stellt Urteile und Forderungen an diejenigen, die es gewagt haben, die politische Macht zu ergreifen und eine neue staatliche Politik zugunsten der Armen umzusetzen.

Sie töten oder foltern die "Korrupten" nicht mehr: Jetzt zerstören sie das Image der sozialen Anführer, diskreditieren ihren politischen Werdegang und stecken sie schließlich ins Gefängnis oder schüchtern sie im besten Fall ein und zwingen sie zum Rückzug oder ins Exil. Das jüngste Beispiel ereignete sich am 7. Juli mit dem ehemaligen Vizepräsidenten von Argentinien, Amado Boudou, der im Fall Ciccone ohne Beweise, nur auf der Grundlage von Annahmen und Zeugenaussagen, zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde3. Das selbe geschah mit Jorge Glas und Rafael Correa in Ecuador. Hinter dem Ex-Präsidenten von Paraguay, Fernando Lugo, sind sie auch schon her.

Die andere Taktik ist der direkte Angriff und dafür gibt es in Brasilien, Chile, Honduras, Kolumbien, Mexiko und Peru Beispiele. In all diesen Ländern werden Führungspersönlichkeiten sozialer Bewegungen beseitigt, eingesperrt oder verfolgt wegen angeblicher Störung der öffentlichen Ordnung oder einfach weil sie die faktischen Mächte "behindern": transnationale Konzerne und konservative Regierungen.

Da sie es auf diesen beiden Wegen in Venezuela nicht geschafft haben, blieb ihnen nur die andere Methode: der Präsidentenmord.

Vergessen wir eines nicht: "Laut den sogenannten Archiven des Terrors, die der Anwalt Martín Almada in Paraguay im Jahr 1992 entdeckt hat, hinterließ der Plan Condor 50.000 Tote, ungefähr 30.000 Verschwundene und 400.000 Gefangene. Hinzu kommen Folterungen, die Verschleppung von Gefangenen in andere Länder und die ständige Verfolgung und Überwachung der politischen Gegner”, wie Telesur berichtete.

Viele Foren und progressive Anführer haben sich wegen der Verstärkung der Geheimdienstaktivitäten der USA in Lateinamerika in den vergangenen fünf Jahren bereits besorgt gezeigt. Diese Aktivitäten seien darauf gerichtet, den Sturz der demokratisch gewählten Präsidenten der Region zu organisieren.

Ist also der Mordversuch vom vergangenen 4. August Zufall oder einfach nur ein gescheiterter Akt von unfähigen Anti-Chávez-Aktivisten und Oppositionellen? Nun, Bayly sagt es selbst, weitere Kommentare sind nicht nötig. Abgesehen davon, dass er sie als seine Freunde betrachtet, warnte er davor, dass es "neue Schrecken" geben wird, und redet dann noch Klartext: "Ich habe gute Freunde in Washington und im Weißen Haus und weiß von sehr vertrauenswürdigen Quellen, dass Trump nicht nach Venezuela reingehen wird. Aber die Gringos werden versuchen, den venezolanischen Rebellen zu helfen, mit logistischer und technologischer Unterstützung, und das scheint mir sehr plausibel. Dies ist eine Verschwörung und es werden weitere folgen."

Orlando Pérez aus Ecuador ist Journalist und Autor. Er leitet das politische Magazin En Clave Política beim lateinamerikanischen Fernsehsender Telesur und war von 2011 bis 2017 Leiter der ecuadorianischen Tageszeitung El Telégrafo

  • 1. Im Rahmen von Plan Condor oder Operation Condor haben südamerikanische Geheimdienste von 1970 bis 1990 grenzüberschreitend linke Aktivisten und Oppositionelle der Diktaturen verfolgt, festgenommen, gefoltert und ermordet. Koordiniert und unterstützt wurde die Operation vom US-Geheimdienst CIA. Zunächst beteiligten sich Chile, Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay und Bolivien. Neueren Erkenntnissen zufolge schlossen sich gegen Ende der 1980er Jahre auch der peruanische und ecuadorianische Geheimdienst an
  • 2. Der in Miami, USA, lebende Fernsehmoderator Jaime Bayly aus Peru, hatte am 6. August in einer Sendung von CNM Latinoamerica unter anderem erklärt, er habe von einem Informanten bereits Tage vor dem Anschlag von den Plänen erfahren, bei der Parade am 4. August Präsident Maduro mithilfe von Drohnen zu töten
  • 3. Amado Boudou wurde wegen Korruption und Vorteilsnahme zu fünf Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt. Auch darf er lebenslang keine öffentlichen Ämter mehr bekleiden. Er soll 2010 als Wirtschaftsminister den Verkauf einer Banknoten-Druckerei an Geschäftsfreunde illegal gefördert haben. Boudou hat stets seine Unschuld beteuert