Brasilien / Politik

Präsident der Abgeordnetenkammer in Brasilien bricht mit Regierung

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Der Präsident der Abgeordnetenkammer, Eduardo Cunha, soll fünf Millionen US-Dollar Schmiergeld kassiert haben
Der Präsident der Abgeordnetenkammer, Eduardo Cunha, soll fünf Millionen US-Dollar Schmiergeld kassiert haben

Brasília. In Brasilien zeichnet sich eine heftige Regierungskrise ab, nachdem der Präsident des Abgeordnetenhauses, Eduardo Cunha, von der mitregierenden Partei PMDB seinen "Bruch mit der Regierung von Präsidentin Dilma Rousseff" angekündigt hat. "Von nun an stehe ich in Opposition zur Regierung", verkündete der Politiker des Mitte-rechts-Koalitionspartners der regierenden Arbeiterpartei PT auf seinem Twitter-Profil. Cunha sprach von einer persönlichen Entscheidung. Er suche nicht Stimmen [im Parlament], "um die Regierung anzugreifen und zu stürzen". Seine Rolle als Parlamentspräsident wolle er weiterhin mit Unabhängigkeit und Harmonie ausführen. Dennoch, so Cunha, suche er nach Möglichkeiten, um juristisch gegen die Präsidentin vorzugehen, berichtete der lateinamerikanische Nachrichtensender Telesur. Der Politiker unterstütze damit die Initiative, Rousseff ihres Amtes zu entheben. 

Rousseff sagte indes, dass es in Brasilien "keinen Platz für antidemokratische Abenteuer gibt". Die brasilianische Präsidentin bat um einen offenen Dialog mit den parlamentarischen Kräften, um die politischen Differenzen beizulegen. Zudem bekräftigte sie, ihr Amt bis zum Ende der Legislaturperiode auszuführen und sich nicht einschüchtern lassen zu wollen.

Anlass für die Entscheidung Cunhas, in Opposition zur Regierung zu gehen, war die erneute Anschuldigung wegen Erpressung gegen ihn. Im Rahmen von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zu den Verstrickungen von Politikern und Bauunternehmen im Kartell um den staatlichen Mineralölkonzern Petrobras beschuldigte der Angeklagte Júlio Camargo in seiner Aussage Eduardo Cunha, fünf Millionen US-Dollar Schmiergeld für einen Deal zwischen Petrobras und dem Schiffsbauunternehmen Toyo Setal gefordert zu haben.

Im "Petrolão"-Korruptionsskandal sollen zwischen 2003 und 2013 Schmiergelder in Milliardenhöhe bei der Vergabe von Petrobras-Aufträgen geflossen sein. Im Zuge der Ermittlungen wurden in den vergangenen Monaten mehrere Manager des Konzerns wegen Bestechung verhaftet. Gegen rund 50 Politiker wird ermittelt, ein Großteil gehört zur PT und ihren Koalitionspartnern. Am vergangenen Mittwoch durchsuchte die Polizei die Wohnungen von mehreren Politikern der rechtskonservativen PP, ebenfalls Koalitionspartner der PT. Auch die Wohnung von Ex-Präsident und heutigem Senator für den Bundesstaat Alagoas, Collor de Mello, der im Jahre 1992 wegen Korruptionsvorwürfen durch ein Amtsenthebungsverfahren abgesetzt wurde, wurde durchsucht.

Dem Journalisten Fausto Macedo zufolge soll Cunha die Korruptionszahlungen auf einem geheimen Schweizer Bankkonto erhalten haben. Der Politiker aus Rio de Janeiro, der als Präsidentschaftskandidat für die Wahl im Jahre 2018 gehandelt wird, bestreitet die Vorwürfe und beschuldigt die Regierung, hinter der Anzeige zu stehen.

Doch eine Unschuld des konservativen Politikers im Korruptionsprozess um die Petrobras steht schon lange in Frage. Bereits im Mai dieses Jahres war Cunha wegen des Vorwurfs der Erpressung im Zuge der Korruptionsermittlungen in die Schlagzeilen geraten. Damals hatte einer der Hauptzeugen, Alberto Youssef, vor Gericht bestätigt, dass Cunha im Gegenzug für Aufträge der staatlichen Petrobras von privaten Firmen Geld erpresst hatte, wie die Zeitung O Estado de São Paulo berichtete.

Laut der Tageszeitung Folha de São Paulo ist es möglich, dass Cunha, der als Präsident der Abgeordnetenkammer weitreichenden Einfluss darauf hat, welche Gesetze in die Abstimmung gehen, nun wichtige Regierungsvorhaben blockiert.

Die steten Angriffe der konservativ-liberalen Parteien, insbesondere der PSDB und PMDB, auf die Regierung Rousseff zeigen zunehmend Wirkung. Infolge der wiederholten Forderung der Opposition nach einem Amtsenthebungsverfahren als Antwort auf jedwede politische Niederlage der Präsidentin verschlechtert sich das Vertrauen der Bevölkerung in die politische Führung des Landes immer mehr. Laut einer aktuellen Umfrage des Instituts CNT/MDA vom Dienstag, erklärten sich 63 Prozent der Befragten mit einem Amtsenthebungsverfahren einverstanden.

Unterdessen wird auch gegen Ex-Präsident Luiz Inácio "Lula" da Silva ermittelt. Der Politiker wird beschuldigt, dem Baukonzern Odebrecht Aufträge zugespielt zu haben und damit die Parteikasse aufgefüllt zu haben. Der 69-Jährige gilt als aussichtsreichster Kandidat für die angeschlagene PT bei der Wahl im Jahre 2018.