Gesetz für Rentenreform in Argentinien trotz heftiger Proteste verabschiedet

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128 Ja-Stimmen für die Rentenreform in Argentinien: Das neoliberale Regierungsbündnis hat die Stimmen einiger "dialogbereiter" Peronisten und damit die notwendige Mehrheit gewonnen
128 Ja-Stimmen für die Rentenreform in Argentinien: Das neoliberale Regierungsbündnis hat die Stimmen einiger "dialogbereiter" Peronisten und damit die notwendige Mehrheit gewonnen

Buenos Aires. Massive Proteste haben die mit einigen Tagen Verzögerung durchgeführte Abstimmung im argentinischen Abgeordnetenhaus für eine Reform des Rentengesetzes und Kürzungen von Sozialleistungen begleitet. Wie schon beim ersten Versuch am Donnerstag vergangener Woche, kam es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen staatlichen Sicherheitskräften und Gegnern der Reform. Zudem hatte der größte Gewerkschaftsdachverband des Landes, CGT, einen Generalstreik ausgerufen. Davon waren der gesamte öffentliche Nahverkehr wie auch der internationale Flugverkehr in Buenos Aires betroffen.

Insgesamt 16 Stunden dauerte die Sitzung im Unterhaus des Kongresses. Durch das Gesetz sollen Renten gekürzt und weniger stark an die Inflation angepasst werden, die immer noch bei etwas über 20 Prozent jährlich liegt. Außerdem sollen Schwangerschafts- und Kindergeld gekürzt werden und körperlich eingeschränkte Rentner weniger Geld bekommen. Zunächst hatten Abgeordnete der Opposition versucht, die Abstimmung ein weiteres Mal aufgrund der vor dem Kongressgebäude stattfindenden Proteste zu vertagen. Spät in der Nacht wurde das Gesetz dann aber doch mit 128 Zustimmungen bei 116 Ablehnungen und zwei Enthaltungen verabschiedet. Das neoliberale Bündnis von Präsident Mauricio Macri, Cambiemos (Ändern wir), hat die Stimmen einiger "dialogbereiter" Peronisten und damit die notwendige Mehrheit gewonnen.

Begleitet wurde die Abstimmung von heftigen Protesten im ganzen Land, vor allem in der Hauptstadt Buenos Aires und vor dem Parlamentsgebäude im Zentrum der Stadt. Die Polizei begegnete Steinwürfen aus der Menge mit voller Härte. Dabei wurden über 60 Protestierende verletzt, aber auch Journalisten und Fotografen. Mehr als 100 Menschen wurden festgenommen. In Sozialen Netzwerken werden viele Videos verbreitet, die den Einsatz von Gummigeschossen, Wasserwerfern und Tränengas durch die Polizei dokumentieren. Auch protestierende Rentner wurden dabei angegriffen. Die Proteste konnten aber nicht gestoppt werden und setzten sich die ganze Nacht lang fort. Noch nach der ersten Sitzung zur Verabschiedung des Gesetzes vergangene Woche hatte die Regierung erklärt, keine Gewalt einsetzen zu wollen und nur den Weg des Dialogs zu akzeptieren.

Das Gesetz soll dem Staatshaushalt Einsparungen in Höhe von etwa 100 Milliarden Peso bringen (rund 4,8 Milliarden Euro). Trotz mehrfacher Ankündigungen ist es der Regierung Macri bisher nicht gelungen, die Inflation und damit die Staatsverschuldung in den vergangenen zwei Jahren merklich zu vermindern. Nun versucht Macri mit klassischen neoliberalen Kürzungen von Sozialleistungen seinen Ankündigungen gerecht zu werden. Dies erinnert stark an vom Internationalen Währungsfonds propagierte und veranlasste Strukturanpassungsprogramme, die Argentinien auch schon vor dem Krisenjahr 2001 heimgesucht und zu massiven Protesten geführt hatten. Mit diesem Gesetz werden Gelder auf Kosten sozial schwacher Menschen eingespart. Die oppositionelle Abgeordnete Mirta Tundis erklärte während der Diskussion vor der Abstimmung: "Sie sagen, das Gesetz würde die Rechte der älteren Menschen nicht beeinträchtigen, jedoch schränkt es sogar die Menschenrechte grundsätzlich ein."