"Armseliger Hacker": Präsident von Ecuador verteidigt Auslieferung von Assange

Rausschmiss von WikiLeaks-Mitbegründer provoziert heftige Debatten. Präsident Moreno erklärt auf Veranstaltung in Ecuador offen die Motivation seiner Regierung

assange.jpg

Julian Assange bei seiner Festnahme in der ecuadorianischen Botschaft in London durch britische Polizisten
Julian Assange bei seiner Festnahme in der ecuadorianischen Botschaft in London durch britische Polizisten

London/Quito. Nach der Auslieferung des Publizisten und Mitbegründers der Enthüllungsplattform WikiLeaks, Julian Assange, an Großbritannien sieht sich die ecuadorianische Regierung unter Präsident Lenín Moreno heftiger Kritik ausgesetzt. Der ehemalige Präsident des südamerikanischen Landes, Rafael Correa, warf seinem Nachfolger vor, Assange nach Verhandlungen mit den USA ausgeliefert zu haben, um außen- und wirtschaftspolitische Vorteile zu erlangen. Ecuadors derzeitiger Außenminister José Valencia verteidigte den Rausschmiss des WikiLeaks-Mitbegründers auf einer Pressekonferenz.

"Es war eine erwartete Entscheidung, aber sie ist nicht weniger schockierend und überraschend wegen der brutalen Art und Weise, wie sie getroffen wurde", sagte Correa gegenüber dem lateinamerikanischen Fernsehsender Telesur. Lenín Moreno habe seit Beginn seiner Amtszeit Ende Mai 2017 mit Paul John Manafort, dem ehemaligen Kampagnenchef von US-Präsident Donald Trump, verhandelt und dabei angeboten, Assange gegen finanzielle Vorteile auszuliefern, so Correa.

"Im vergangenen Jahr empfing Lenín (Moreno den US-Vizepräsidenten) Mike Pence, mit dem er sich auf drei Dinge einigte: die Isolierung Venezuelas, Straffreiheit für Chevron – eine Firma, die die Hälfte des ecuadorianischen Dschungels zerstört hat –, und die Übergabe von Julian Assange", sagte der ehemalige ecuadorianische Präsident.

Erste Reaktionen der unmittelbar Beteiligten weisen darauf hin, dass Ecuadors Regierung dem Druck aus London nachgegeben hat. Zwar twitterte Präsident Moreno, seine Regierung habe "eine souveräne Entscheidung getroffen", weil Assange "wiederholt internationale Vereinbarungen" und den internen Verhaltenskodex der Botschaft verletzt habe. Zugleich jedoch dankte Großbritanniens Außenminister Jeremy Hunt Moreno persönlich für dessen "Kooperation mit dem Außenministerium". Julian Assange sei "kein Held und niemand steht über dem Gesetz", so Hunt: "Er hat sich jahrelang vor der Wahrheit versteckt. Vielen Dank an Ecuador und Präsident Lenín Moreno für Ihre Zusammenarbeit mit @foreignoffice, damit Assange vor Gericht gestellt wird."

Weniger erfreut zeigten sich Vertreter der ehemaligen Regierung von Ecuador, die Assange Asyl gewährt hatte. "Die Auslieferung von Julian Assange, der von der britischen Polizei aus unserer diplomatischen Mission gezerrt wird, ist eine nationale Schande und ein historischer Fehler, der Ecuador noch lange Zeit zutiefst belasten wird", schrieb der Ex-Außenminister Guillaume Long. Ex-Präsident Correa erklärte in Antwort auf seinem Amtsnachfolger: "'Souveräne Entscheidung' – was für eine Art, ein Schurkenstreich und eine Feigheit zu bezeichnen!" Die Geschichte werde "unerbitterlich über diejenigen urteilen, die sich einer so schrecklichen Sache schuldig gemacht haben".

Das regierungskritische Internetportal Ecuadorinmediato fasste die Hauptargumente von Außenminister Valencia zusammen, der die Auslieferung verteidigte.

  1. Intervention in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten.
  2. Fehlverhalten und mangelnder Respekt gegenüber Ecuador.
  3. Drohungen gegen den ecuadorianischen Staat und die Botschaft des südamerikanischen Landes in Großbritannien.
  4. Die starre Position Großbritanniens seit 2012.
  5. Der besorgniserregende Gesundheitszustand von Julian Assange.
  6. Diplomatisches Asyl sei kein Instrument, um der Justiz zu entgehen.
  7. Es gebe keinen Auslieferungsantrag der USA.
  8. Ecuador habe vom Großbritannien ausreichende Zusicherungen, dass Assange an kein Land ausgeliefert wird, in dem ihm die Todesstrafe oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohen.
  9. Unregelmäßigkeiten im Einbürgerungsprozess von Assange in Ecuador.

Zugleich gab Valencia bekannt, dass die amtierende Regierung Assange nach der Überstellung an die britischen Behörden die ecuadorianische Staatsbürgerschaft wieder entzogen hat. Diese war dem Publizisten im Jahr 2017 von der damaligen Regierung verliehen worden.

Der Anwalt des 47-Jährigen WikiLeaks-Mitbegründers, Carlos Poveda, beklagte, der Verteidigung seien elementare prozessuale Rechte verweigert worden. "Wir hatten nicht das Recht, uns zu verteidigen, obgleich das Gesetz festlegt, dass es vor der Beendigung des Asylverfahrens eine Beratung zwischen den Anwälten und dem Schutzsuchenden geben sollte – und das ist nicht geschehen", sagte Poveda.

Darüber hinaus erklärte er, dass "wir keine Kenntnis von der Entscheidung über die Beendigung des Asylverfahrens hatten, um Rechtsmittel einzulegen". Die britische Polizei sei vor den regulären Öffnungszeiten der Botschaft in das Gebäude gelassen worden und habe Assange aus dem Gebäude gebracht.

Ecuadors Präsident Moreno lies indes wenig Zweifel an der politischen Motivation seiner Regierung: "Wir haben diesem verdorbenen Typen das Asyl entzogen und sind zu unserem Vorteil einen Klotz an unserem Bein losgeworden", sagte er bei einer Veranstaltung am Donnerstag: "Von nun an werden wir Asyl nur noch denen gewähren, die es verdienen, und nicht armseligen Hackern, die Regierungen destabilisieren wollen."