Endet der Rechtsruck in Lateinamerika? Fernández in Argentinien in Führung

Deutlicher Vorsprung in Umfragen. Integration Südamerikas als wichtigstes außenpolitisches Ziel. Wirtschaftliche Situation weiterhin angespannt

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Zeigt sich siegessicher: Alberto Fernández. Kandidat der "Frente de todos" (Bündnis von Allen) gegen den amtierenden Präsidenten Mauricio Macri an
Zeigt sich siegessicher: Alberto Fernández. Kandidat der "Frente de todos" (Bündnis von Allen) gegen den amtierenden Präsidenten Mauricio Macri an

Buenos Aires. In aktuellen Umfragen in Argentinien liegt der Kandidat des peronistischen Lagers, Alberto Fernández, weiterhin 20 Prozentpunkte vor dem amtierenden Staatspräsidenten Mauricio Macri. Laut einer nach der ersten Fernsehdebatte sämtlicher Kandidaten durchgeführten Studie des Meinungsforschungsinstituts Opina kommt Fernández derzeit auf rund 52 Prozent Wählerzuspruch, Macri dagegen auf nur 32 Prozent. Alle übrigen Kandidaten liegen klar unter zehn Prozent und haben demnach keine Erfolgsaussichten. Die Präsidentschaftswahlen am 27. Oktober könnten damit schon im ersten Wahlgang entschieden werden. Dafür genügt es, entweder mehr als 45 Prozent oder mehr als 40 Prozent der Stimmen mit einem Vorsprung von mindestens zehn Punkten auf den Zweitplatzierten zu erreichen.

Angesichts der aktuellen ökonomischen Daten ist eine Aufholjagd Macris in letzter Minute äußerst unwahrscheinlich. Im September betrug die monatliche Inflation 5,9 Prozent, die Jahresinflation im Verhältnis zum September des Vorjahres 53,5 Prozent. Dies steht im Zusammenhang mit dem sprunghaften Wertverlust des Pesos infolge der Ergebnisse der Vorwahlen am 11. August. Zwar setzte die Regierung Macri nach ihrer Niederlage Maßnahmen zur Preiskontrolle durch, darunter die Aussetzung der Umsatzsteuer für manche Grundnahrungsmittel, doch auch damit konnte der Preisanstieg im Nahrungssektor mit 5,7 Prozent im September nur minimal eingedämmt werden. Für das kommende Jahr prognostiziert der Internationale Währungsfonds als wichtigster Gläubiger Argentiniens erneut eine Inflation von rund 40 Prozent und einen Einbruch der Wirtschaftsleistung um 1,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Zusammen mit der Schuldenlast von derzeit fast 100 Prozent des BIP ergibt das äußerst schwierige Rahmenbedingungen für die kommende Regierung.

Am vergangenen Sonntag fand indes die erste Fernsehdebatte sämtlicher Kandidaten statt. Neben Macri und Fernández sind dies Roberto Lavagna (Consenso Federal), Nicolás del Caño (Frente de Izquierda y Trabajadores), José Luis Espert (Frente Despertar) und Juan José Gómez Centurión (Frente NOS). Macri versprach erneut eine Besserung der ökonomischen Situation im Fall einer zweiten Amtszeit und stellte wirtschaftliche Erleichterungen für die Mittelschicht in Aussicht. Alberto Fernández warf ihm völliges Versagen in ökonomischen Belangen vor und sagte eine "Politik des Konsens zwischen Industriellen, dem Landwirtschaftssektor, der arbeitenden Bevölkerung und dem Staat" zu.

Bei den Themen Gendergerechtigkeit, Menschenrechte und Gesundheit hob Macri Errungenschaften hervor wie die Pläne zur Geschlechtergleichstellung, gegen Gewalt gegen Frauen oder die "Reform" der Pensionsversicherung. Fernández verwies dagegen auf die mangelnde budgetäre Ausstattung dieser Reformvorhaben. Das Gesundheitsbudget etwa sei um 23 Prozent gekürzt worden, während die Zinsen im selben Zeitraum um 70 Prozent gestiegen seien.

Hinsichtlich der Außenpolitik betonte Fernández erneut die Bedeutung der regionalen Integration Lateinamerikas. Dazu müsse das südamerikanische Wirtschaftsbündnis Mercosur wiederbelebt und gestärkt werden. Erst danach könne man mit der Europäischen Union in Verhandlungen um ein Handelsabkommen treten. Im Fall Venezuelas sprach er sich klar gegen eine Intervention, für die Aufrechterhaltung der Beziehungen und für die Suche nach internen politischen Lösungen des Konflikts aus. Macri wiederum legte sich fest, dass es im Fall Venezuela keine neutrale Position geben könne und warf Fernández und seinem Lager Unterstützung einer "Diktatur" vor. Der Kandidat Nicolás del Caño zog dagegen Parallelen zum Fall Ecuador. Dort unterstütze Macri derzeit eine Regierung, die mit offener Repression gegen die eigene Bevölkerung vorgeht. Macri bezeichnete er als "Stiefellecker" des US-Präsidenten Donald Trump.

Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem uruguayischen Präsidentschaftskandidaten der Frente Amplio, Daniel Martínez, äußerte sich Fernández kürzlich genauer zu seinen außenpolitischen Plänen. Sollte er gewählt werden, würde Argentinien sich aus der Lima-Gruppe zurückziehen, die den Oppositionsführer Juan Guaidó offiziell als Staatspräsidenten Venezuelas anerkennt. Beide Kandidaten betonten die Bedeutung einer verstärkten kontinentalen Zusammenarbeit im Bereich von Industrie und Technologie. Sie sprachen sich für Wiederbelebung des Mercosur aus und kritisierten die Zersetzung des südamerikanischen Staatenbündnisses Unasur zugunsten des von rechten Regierungen ins Leben gerufenen Bündnisses Prosur.